Befangener Richter

Im Februar 2021 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) festgestellt, dass ein deutsches Strafverfahren nicht den Anforderungen an ein faires Verfahren nach internationalen Standards entsprach, da die beteiligten Richter befangen waren (Fall Meng vs. Deutschland). Seitdem kam Bewegung in die Diskussion, unter welchen Voraussetzungen ein Richter befangen ist, der bereits in einem anderen Verfahren tätig war.

Bußgeld Transparenzregister

Unternehmen sind verpflichtet, die wirtschaftlich Berechtigten in das Transparenzregister einzutragen. Diese Pflicht wurde mit der letzten großen Änderung des Geldwäsche-Gesetzes (GwG) bereits im Jahr 2017 eingeführt. Zunächst hielten sich die Behörden mit Bußgeldern zurück. Die Schonfrist ist nun abgelaufen.

Unternehmensstrafrecht

Nachdem das Bundesjustizministerium im August 2019 einen ersten „inoffiziellen“ Entwurf eines „Gesetzes zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten“ (sogenanntes Verbandssanktionengesetz – VerSanG) vorgelegt hatte, wurde ein überarbeiteter Entwurf am 20.04.2020 auf der Internetseite des Ministeriums vorgestellt. Der Weg zum Unternehmens-Strafrecht ist frei.

Corona Subventionsbetrug

Die Voraussetzungen für Corona-Soforthilfen sind deutlich strenger, als die Erklärungen von Politikern auf den ersten Blick vermuten lassen. Bei der Beantragung droht ein Strafverfahren wegen Subventionsbetrugs (§ 264 StGB) und falscher Versicherung an Eides statt (§ 156 StGB). Auch steuerliche Auswirkungen sind zu berücksichtigen.

strafrecht unternehmen verbandssanktion

In Deutschland gibt es (noch!) kein Unternehmensstrafrecht. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass in nächster Zeit ein neues Gesetz zur Verhängung von Verbandssanktionen eingeführt wird. Unternehmen sollten darauf vorbereitet sein.

Beschlagnahme in Rechtsanwaltskanzlei

Die sog. Jones Day Entscheidung des BVerfG ist nicht nur im Zusammenhang mit unternehmensinternen Untersuchungen („internal investigations“) von Bedeutung. Auch die Tätigkeit als externer Compliance-Vertrauensanwalt („Ombudsmann“) ist davon betroffen.

Insolvenzstrafrecht

Rechtsanwalt Dr. Tobias Rudolph hält am Freitag, 08.12.2017, einen Vortrag zum Thema „Insolvenz der Gesellschaft – die strafrechtliche Komponente der Beratung, Vertretung und Verteidigung“.

Das Referat im Rahmen der Jurisprudentia-Fortbildung richtet sich insbesondere an Fachanwälte für Handels- und Gesellschaftsrecht.

Der Vortrag veranschaulicht die rechtliche Beratung einer Gesellschaft in der Insolvenz unter strafrechtlichen Aspekten. In Rede stehen  Insolvenz- und Bankrottdelikte sowie weitere Straftatbeständen, die häufig im Zusammenhang mit einer Insolvenz stehen, insbesondere Steuerhinterziehung, Untreue und Betrug.

Dr. Tobias Rudolph behandelt in der Fortbildungsveranstaltung ebenfalls die „gefahrgeneigte Arbeit“ des Beraters in der Krise, der hinsichtlich von Anstiftungshandlungen selbst ins Licht der Ermittlungsbehörden rücken kann.

Nicht zuletzt geht der Fachanwalt für Strafrecht auf das Verwendungsverbot des § 97 I S. 3 InsO ein und hinterfragt den Konflikt zwischen Auskunfts- und Mitteilungspflichten im Verhältnis zum Schweigerecht im Strafverfahren.

Das Skript zum Insolvenzstrafrecht sowie die Präsentation zur Veranstaltung stellen wir gerne zur Verfügung.

Neues Geldwäschegesetz (GwG) - Privilegierte Güterhändler

Bei dem Begriff Geldwäsche denken die meisten Menschen zuerst an Waffenhändler oder organsierte Prostitution. Manchem ist vielleicht bewusst, dass es beispielsweise für Banken und andere Unternehmen aus dem Finanzsektor die Pflicht gibt, besonders auffällige Geldbewegungen zu melden. Doch nur die Wenigsten sind sich im Klaren darüber, dass die Verpflichtungen aus dem Geldwäsche-Gesetz (GwG) auch „ganz normale Unternehmen“ treffen können.

Anmerkung: Vgl. auch den Artikel von RA Dr. Tobias Rudolph im DATEV-Magazin 02/2018: Der Staat im Kampf gegen Steuerdelikte – Geldwäsche stoppen.

Aktuell: Seit Anfang des Jahres 2020 werden vom Bundesverwaltungsamt Bußgeld-Bescheide an Unternehmen verschickt, die ihrer Pflicht zur Eintragung des Wirtschaftlich Berechtigten in das Transparenzregister, nicht nachgekommen sind. Die Pflicht zur Eintragung ins Transparenzregister wird durch die nachstehend aufgezeigten Privilegierungen für Güterhändler nicht berührt. Sogar Unternehmen, die nicht Verpflichtete nach dem Geldwäsche-Gesetz sind, sind grundsätzlich zur Meldung ins Transparenzregister verpflichtet.

A. Privilegierte Güterhändler und das neue Geldwäsche-Gesetz

Am 26.06.2017 ist das neue Gesetze über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz – GwG) in Kraft getreten. Es erweitert die Anforderungen an die Unternehmen bezüglich der Geldwäsche-Compliance erheblich. Während das alte Geldwäschegesetz aus 17 Paragraphen bestand, enthält dieses nun 59. Während das Gesetz in der alten Fassung 17 Buß-geldtatbestände aufführte, sind es nunmehr 64.

Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, welche Anforderungen das Gesetz für so-genannte Güterhändler stellt – d.h. Unternehmen, die nicht dem Finanzsektor und auch keiner anderen Risiko-Branche (Veranstalter von Glückspielen, Makler usw.) angehören.

Grundsätzlich gehören die sogenannten Güterhändler, d.h. Unternehmen, die mit Kunden typischerweise Kaufverträge abschließen, zu den Verpflichteten des Geldwäsche-Gesetzes. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diese Pflichten auf ein Minimum zu reduzieren – allerdings nur dann, wenn sichergestellt wird, dass keine Bargeldgeschäfte vorgenommen werden, die den Betrag von 9.999,99 Euro überschreiten.

Um den Pflichten des Geldwäsche-Gesetzes zum entkommen, müssen die Unternehmen, die als sogenannte „privilegierte Güterhändler“ auftreten wollen, gleichwohl einige Besonderheiten beachten.

B. Verpflichtete nach dem GwG

Die Verpflichteten des Geldwäschegesetzes sind in § 2 GWG n.F. aufgelistet. Während unter den Ziffern 1 bis 15 dieser Auflistung vor allem typische Unternehmen der Finanzindustrie, Immobilienmakler und – seit neuestem auch Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen genannt sind, werden unter § 2 I Nr. 16 GwG auch die sogenannten Güterhändler erfasst.

Der neue Begriff des Güterhändlers ist in § 1 IX GwG n.F. legal definiert. Darunter ist jede Person, die gewerblich Güter veräußert zu verstehen, unabhängig davon, in wessen Namen oder auf wessen Rechnung sie handelt. Die Definition entspricht im Wesentlichen § 2 I Nr. 13 GwG nach alter Fassung („Personen, die gewerblich mit Güter handeln“). Damit sind auch juristische Personen gemeint.

Auch Strom-, Gas- und Wasserversorger sind Güterhändler, d.h. es kommt nicht auf den Aggregatzustand einer Sache an (vgl. BMF Schreiben vom 24.04.2012 – VII A 3 – WK 5023/11/10021).

C. Pflicht zur Einrichtung eines Risikomanagements

Grundsätzlich treffen Güterhändler dieselben – strengen! – Pflichten, wie Unternehmen aus dem Finanz-Sektor.

Allerdings gibt es die Möglichkeit, diese Pflichten auf ein Minimum zu reduzieren, sofern sicher-gestellt wird, dass keine Bargeld-Bewegungen in Höhe von 10.000,- Euro vorkommen (vgl. zu dieser Privilegierung unten, unter E.).

Grundsätzlich müssen die Verpflichteten nach dem Geldwäschegesetz über ein wirksames Risikomanagement verfügen, das im Hinblick auf Art und Umfang ihrer Geschäftstätigkeit angemessen ist (vgl.§ 4 Abs. 1 GwG n.F.).

Das Risikomanagement umfasst gemäß § 4 Abs. 2 GwG n.F. eine Risikoanalyse nach § 5 sowie interne Sicherungsmaßnahmen nach § 6 GwG.

Verantwortlich für das Risikomanagement ist ein zu benennendes Mitglied der Leitungsebene, § 4 Abs. 3 GwG n.F.

Zu den Anforderungen an ein Risikomanagement im Einzelnen:

a) Risikoanalyse (§ 5 GwG n.F.)

Es ist zu erwarten, dass die Aufsichtsbehörden eine unternehmensspezifische, in sich schlüssige und Plausibilisierungswege dokumentierte Darstellung verlangen. Der Risikoidentifizierung und Bewertung ist eine Beschreibung des Unternehmens inklusive der Geschäftsbereiche und Produkte erforderlich. Die Risikoanalysen sind turnusgemäß bzw. anlassbezogen zu überprüfen und anzupassen und müssen auf Verlangen der Aufsichtsbehörde zur Verfügung gestellt werden (vgl. § 5 II Nr. 2 u. 3 GwG n.F.)

b) Sicherungsmaßnahmen

1. Interne Sicherungsmaßnahmen, § 6 GwG n.F.

Die obligatorischen internen Sicherungsmaßnahmen als Teil des Risiko-Managements sind bei-spielhaft in § 6 II GwG n.F. aufgeführt (bisher § 9 GwG a.F.).

Neu ist insbesondere Folgendes:

• Schaffung einer gruppenweiten Geldwäsche-Compliance-Organisation (Nr. 3)
• Überprüfung der internen Grundsätze und Verfahren durch einen unabhängigen Prüfer „soweit diese Überprüfung angesichts der Art und des Umfangs der Geschäftstätigkeit angemessen ist“ (Nr. 7)
• – Einrichtung eines Hinweisgebersystems, § 6 V GwG n.F.

Diesem Erfordernis dürfte durch das Konzept eins Vertrauensanwalts zur Korruptionsprävention („Ombudsmann“) Genüge getan sein.  Nach der erstmaligen Einrichtung der internen Sicherungsmaßnahmen besteht weiterhin die Pflicht, die Funktionsfähigkeit der Maßnahmen zu überwachen und gegebenenfalls zu aktualisieren (§ 6 I S. 3 GwG n.F.). Dies sollte dokumentiert werden.

2. Verantwortliches Mitglied auf Leitungsebene, § 4 III GwG n.F.

Der Begriff der „Leitungsebene“ ist gesetzlich nicht definiert. Der Begriff wurde jedoch offen-sichtlich in Abgrenzung zur legal definierten „Führungsebene“ (vgl. § 1 XV GwG n.F.) gewählt, um zum Ausdruck zu bringen, dass die Verantwortlichkeit für das Risikomanagement gerade nicht delegierbar ist. Die Verantwortlichkeit trifft damit im Fall einer Aktiengesellschaft ein Mitglied des Vorstands. Das zu benennende Mitglied des Vorstands kann nicht zugleich Geldwäschebeauftragter sein (vgl. BT-Drucks. 18/11555, S. 113).

3. Gruppenweiter Ansatz, § 9 GwG n.F.

Für Unternehmensgruppen muss das Mutterunternehmen die Risikoanalyse für die gesamte Gruppe, d.h. für alle gruppenangehörigen Unternehmen, Zweigstellen und Niederlassungen durchführen. Interne Sicherungsmaßnahmen müssen gruppenweit einheitlich sein.

D. 10.000,- Euro-Grenze und Smurfing

Für Güterhändler sind bei eingeschränkten Bargeldgeschäften i.S.v. § 4 IV GwG n.F. Erleichterungen möglich.

Ein Risikomanagement müssen sie nur einrichten, soweit im Rahmen von Transaktionen Barzahlungen von mindestens 10.000,00 Euro getätigt oder entgegengenommen werden.

Das bedeutet, jede Transaktion die den Maximal-Betrag von 9.999,99 Euro (!) über-schreitet, führt dazu, dass sich das Unternehmen nicht mehr auf die Privilegierung berufen kann.

Entgegen der früheren Fassung des Gesetzes (vgl. § 3 II S. 5 GwG a.F.) kommt es nicht mehr nur auf die Annahme von Bargeld an. Vielmehr führt auch die aktive Bar-Zahlung („tätigen“) durch das Unternehmen ab einem Betrag von 10.000,00 Euro zum Wegfall der Privilegierung.

Der Begriff der Transaktionen ist in § 1 V GwG n.F. legal definiert:

„Transaktion im Sinne dieses Gesetzes ist oder sind eine oder, soweit zwischen ihnen eine Verbindung zu bestehen scheint, mehrere Handlungen, die eine Geldbewegung oder eine sonstige Vermögensverschiebung bezweckt oder bezwecken oder bewirkt oder bewirken.“

Durch diese Definition hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die 9.999,99 Euro-Grenze auch in Fällen sogenannten Smurfings überschritten wird. Der Name Smurfing leitet sich vom englischen Wort für Schlümpfe (smurfs) ab, d.h. es handelt sich um eine Metapher von vielen kleinen Ein-heiten, die zusammen gehören.

Vgl. dazu die Kommentierung nach alter Rechtslage bei Herzog, Kommentar zum GwG, § 2 Rn. 189-192, 2. Aufl. 2014:

„Die (…)pflicht besteht grundsätzlich auch im Falle der künstlichen Aufsplittung von Bargeldbeträgen (Smurfing).“

Das Gesetz stellt darauf ab, ob die Handlungen, die zu der Geldbewegung führen, einen Zusammenhang zu haben scheinen. Auf das tatsächliche Bestehen des Zusammenhangs kommt es folglich nicht an. Das bedeutet, dass derjenige, der sich auf die Privilegierung beruft, im Zweifel nachzuweisen hat, dass mehrere Geldbeträge, die z.B. durch dieselbe Person einbezahlt werden, oder die in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehen, dass die Zahlungen zusammen gehören.

Es genügt also nicht, Einzel-Einzahlungen auf maximal 9.999,99 Euro (!) zu beschränken.
Vielmehr muss das Risiko der künstlichen Aufspaltung von zusammengehörigen Verkaufsvorgängen je nach Geschäftsmodell analysiert werden bzw. es müssen entsprechende Sicherungsmaßnahmen bestimmt werden.

Bei Banken werden beispielsweise elektronische Algorithmen eingesetzt, um Smurfing zu erkennen. Voraussetzung für die Privilegierung ist daher eine angemessene Geschäftsorganisation zur Verhinderung von Barzahlungen in relevanter Höhe mit entsprechenden Kontrollen.

E. Sorgfaltspflichten in Bezug auf Kunden, §§ 10 ff. GwG n.F.

a) Grundsätzliche Pflichten

Gemäß den §§ 10 ff. GwG treffen Verpflichtete nach dem Geldwäschegesetz grundsätzlich ins-besondere folgende weitere Pflichten, die über das Risikomanagement hinaus gehen:

(1) die Identifizierung des Vertragspartners und der ggf. auftretenden Person,
(2) die Prüfung, ob die für den Vertragspartner auftretende Person hierzu berechtigt ist,
(3) die Ermittlung und Identifizierung (§ 11 Abs. 5 GwG) des wirtschaftlich Berechtigten,
(4) die Feststellung, ob es sich bei dem Vertragspartner oder dem wirtschaftlich Berechtigten um eine politisch exponierte Person handelt und
(5) die kontinuierliche Überwachung der Geschäftsbeziehung.

Der konkrete Umfang dieser Kundensorgfaltspflichten muss dem jeweiligen Geldwäscherisiko in Bezug auf den Vertragspartner, die Geschäftsbeziehung oder die Transaktion entsprechen. Dies kann von der Aufsichtsbehörde geprüft werden.

b) Auch hier: Privilegierung für Güterhändler

Auch hier gibt es eine jedoch eine Privilegierung für Güterhändler. Gemäß § 10 Abs. 6 GwG n.F. müssen diese ihre Kunden nur dann identifizieren, wenn

a) es sich bei den Vermögensgegenständen, die mit einer Transaktion oder Geschäftsbeziehung im Zusammenhang stehen, um den Gegenstand von Geldwäsche handelt oder
b) die Vermögensgegenstände im Zusammenhang mit Terrorismusfinanzierung stehen, oder
c) eine Transaktion mit Barzahlungen von mindestens 10.000,- Euro (d.h. über 9.999,99 Euro!) vorliegt.

Nach altem Recht bestand für Güterhändler zudem die Pflicht zur Erfüllung kundenbezogener Sorgfaltspflichten, wenn Zweifel bestanden, ob die aufgrund von Bestimmungen des GwG erhobenen Angaben zu der Identität des Vertragspartners oder des wirtschaftlich Berechtigten zutreffend sind. Dieser Auslösetatbestand ist mit der Novellierung des GwG für den Güterhändler entfallen.

Bei der Beurteilung, ob ein Geldwäsche-, Smurfing- oder Terrorismusverdacht vorliegt, ist kein Anfangsverdacht im strafprozessualen Sinne erforderlich. Die Schwelle wird bereits dann überschritten, wenn objektive erkennbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Transaktion dem Zwecke der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung dienen soll. Dies kann z.B. bei Auffällig-keiten in der Abwicklung von Transaktionen der Fall sein sowie bei Abweichungen vom gewöhn-lichen Geschäftsgebaren der Beteiligten, sofern in ihnen ein Bezug zu einer Geldwäschetat bzw. einer Terrorismusfinanzierung erkennbar wird.

F. Geldwäsche-Beauftragter

Güterhändler i.S.v.  § 2 Abs. 1 Nr. 16 GwG haben nicht zwingend einen Geldwäsche-Beauftragen zu bestellen. Denn sie fallen nicht unter den Katalog des § 7 Abs. 1 GwG.

Gemäß § 7 Abs. 3 GwG kann die Aufsichtsbehörde (z.B. die Regierung von Mittelfranken) im Einzelfall jedoch anordnen, dass ein Unternehmen einen Geldwäsche-Beauftragten zu bestellen hat. Gemäß § 7 Abs. 3 S. 2 GwG wird dies der Regelfall sein, wenn die Haupttätigkeit des Verpflichteten im Handel mit hochwertigen Gütern besteht.

Würden Bartransaktionen über 10.000,00 Euro regelmäßig zugelassen, so wäre dies wahrscheinlich auch ein Anlass für die Aufsichtsbehörde, eine entsprechende Anordnung in Erwägung zu ziehen. Eine zwingende rechtliche Verknpüfung zwischen der 9.999,99 Euro-Grenze (bzw. der Privilegierung nach § 4 Abs. 4 GwG) und der Verpflichtung zur Bestellung eines Geldwäschebeauftragten ergibt sich aus dem Gesetz jedoch nicht.

Im Gegensatz zur früheren Rechtslage ist nunmehr die Nichtbestellung des Geldwäschebeauftragten allerdings bußgeldbewehrt (§ 56 Abs. 1 Nr. 7 und 8 GwG n.F.). In den Fällen, in denen eine entsprechende Anordnung der Aufsichtsbehörde erfolgt, sollte dieser daher auch umgehend nachgekommen werden.

G. Zwischenergebnis

Sofern sichergestellt ist, dass keine Bar-Transaktionen über 9.999,99 Euro vorgenommen wer-den, entfallen die meisten Pflichten nach dem GwG.

Der privilegierte Güterhändler bleibt jedoch nach wie vor Verpflichteter nach dem GwG. Daraus folgt eine Pflicht zur Prävention bzw. Sicherstellung, dass die Voraussetzungen der Privilegierung überwacht und eingehalten werden.

Sofern auch nur in einem einzigen Fall die 9.999,00 Euro-Grenze überschritten wird, entfällt die Privilegierung – mit der Folge, dass eine Pflicht zum umfassenden Risikomanagement „wieder auflebt“ und die besonderen Sorgfaltspflichten gemäß §§ 10 ff. GwG zu beachten sind.

Nicht gesetzlich geregelt und auch noch nicht Gegenstand der Kommentarliteratur bzw. der Hinweise der Aufsichtsbehörden ist die Frage, wie lange ein Unternehmen nach einzelnen Transaktionen, die die 10.000,00 Euro-Grenze überschreiten, braucht, bis es sich wieder auf die Privilegierung berufen kann. Dies ist im Zweifel mit der jeweiligen Aufsichtsbehörde (z.B. der Regierung von Mittelfranken) abzustimmen.

Auch für privilegierte Güterhändler besteht eine Pflicht zur Verdachtsmeldung gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 3 GwG i.V.m. §§ 43 ff. GwG n.F., wenn konkrete Anhaltspunkte auf eine mögliche Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung hinweisen,

H. Verbleibende Präventionspflichten

a) Gesetzliche Grundlage

Das Gesetz enthält keine klare Aussage dahingehend, auf welcher Grundlage und nach welchem Sorgfaltsmaßstab ein privilegierter Güterhändler die verbleibenden geldwäscherechtlichen Pflichten erfüllen muss (vgl. dazu auch Henke/von Busekist in „Der Betrieb“, vom 14.07.2017, S. 1567 ff.: „Das neue Geldwäscherecht in der Finanzindustrie“, S. 1568 f.).

Als Mindestorganisation eines Risikomanagements sind denknotwendig mindestens folgende Standards zu erfüllen:

1) Sicherstellung, dass die 9.999,00 Euro-Grenze bei Bar-Transaktionen nie überschritten wird.
Schon das einmalige Überschreiten der 9.999,00 Euro-Grenze würde die besonderen Pflichten des Risikomanagements nach dem GwG auslösen.

2) Sicherstellung und Kontrolle, dass kein Fall sog. Smurfings vorliegt.

3) Sicherstellung, dass Anhaltspunkte auf eine mögliche Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung bekannt und gemeldet werden-

Gesetzliche Grundlage hierfür dürfte jedoch nicht § 4 Abs. 1 i.V.m. § 5 GwG gelten (was teilweise unzutreffend behauptet wird). Denn das Gesetz bezeichnet die Risikoanalyse ausdrücklich als Teil des Risikomanagements, welches im Fall der Privilegierung nach § 4 Abs. 4 GwG gerade nicht verpflichtend ist.

Vielmehr dürfte die Pflicht zur vorsorgenden Kontrolle und Analyse ihre Wurzeln in der allgemeinen Aufsichtspflicht im Unternehmen haben, die aus den § 130 OWiG i.V.m. § 2 GwG folgt (in diesem Sinne wohl auch Henke/Busekist in „Der Betrieb“, vom 14.07.2017, S. 1567 ff.: „Das neue Geldwäscherecht in der Finanzindustrie“, S. 1568: „Da die Erfüllung der Pflichten nicht vom Zufall abhängig sein darf, wird eine Mindestorganisation des Risikomanagements auch weiterhin not-wendig sein“).

Rechtsprechung bzw. Kommentierungen zum neuen Gesetz sind noch nicht bekannt. Insbesondere die maßgeblichen Kommentierungen zum Geldwäschegesetz von Häberle in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, sowie Herzog, Geldwäschegesetz, betreffen ältere Fassungen des Gesetzes, die sich zum Teil erhebliche verändert haben. Auch die aktuelle Kommentierung in dem Handbuch von Böttger (Hrsg.) „Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis“, bezieht sich auf den Rechtsstand aus dem Jahr 2015, d.h. die alte Fassung des Gesetzes.

b) Inhalt der Präventionspflichten

Wie genau die verbleibenden Präventionspflichten zu erfüllen sind, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Dies richtet sich nach den jeweiligen Besonderheiten des Unternehmens.
Dabei werden zum einen Risikofaktoren gemäß der Anlage 1 und 2 nach dem GwG im Auge zu behalten sein.

In Anlage 1 werden Faktoren für ein potenziell geringeres Risiko aufgezählt, beispielsweise wenn es sich um öffentliches, an der Börse notiertes Unternehmen handelt bzw. ein Unternehmen das typischerweise mit transparenten Produkten handelt. Als typische Faktoren für ein potenziell höheres Risiko werden in Anlage 2 beispielsweise Kundenbeziehungen zu „verdächtigen Staaten“ genannt, bargeldintensive Geschäfte sowie die Betreuung vermögender Privatkunden.

Generell lässt sich für Unternehmen, die sich auf die Privilegierung berufen wollen, sagen:

Jeder Mitarbeiter – d.h. sowohl Vorstände als auch beispielsweise Sachbearbeiter im Vertrieb oder der Kundenbetreuung – sollte zumindest drei Dinge über das Geldwäschegesetz wissen:

1. Bartransaktionen über 9.999,99 Euro (aktiv und passiv) sind auszuschließen.

2. Hinweise, die auf eine Umgehung der 9.999,99 Euro-Grenze schließen lassen („Smurfing“), sind umgehend einer im Vorab zu bestimmenden Stelle im Unternehmen zu melden.

3. Fälle, die ein „ungutes Bauchgefühl“ hinterlassen (beispielsweise wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Kunde seine Identität verschleiert, wenn hohe Geldbeträge aus einem verdächtigen Auslandsstaat überwiesen werden oder wenn ein Kunde bei Geschäften unter mehreren Identitäten auftritt) müssen unternehmensintern einer verantwortlichen Stelle gemeldet werden.

Eine unternehmensintern verantwortliche Stelle hat dann zu entscheiden, ob eine Meldung nach dem GwG erfolgt bzw. ob andere Maßnahmen zu ergreifen sind.

Um diese Mindeststandards zu sichern ist daher empfehlenswert:

a) Festlegung von verantwortlicher Stelle, die Mindestanforderungen überwacht und gegebenenfalls Maßnahmen veranlasst (z.B. Rechts- bzw. Compliance-Abteilung);

b) entsprechende Richtlinien, die den Mitarbeitern zur Kenntnis gegeben werden;

Den Mitarbeitern sollten entsprechende Meldepflichten auferlegt werden. Dabei ist es möglich zu regeln, dass diesen auch dann nachgekommen wird, wenn eine Meldung an einen externen Compliance-Beauftragten (beispielsweise den „Ombudsmann“) des Unternehmens erfolgt.

c) Dokumentation der Maßnahmen bzw. der Meldungen und der daraus zu ziehenden Konsequenzen.

I. Fazit

Das Gesetz gibt den meisten Unternehmen die Möglichkeit, die Pflichten nach dem Geldwä-sche-Gesetz deutlich zu entschärfen. Um diese Privilegierung in Anspruch zu nehmen bedarf es jedoch einer gewissen Sorgfalt. Die Gesetzesänderung sollte zum Anlass genommen werden, das bestehende allgemeine Compliance-Konzept auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls anzupassen.

Rechtsanwalt Dr. Tobias Rudolph hat am Freitag, 21.07.2017, im Rahmen des FAO-Seminar Handels- und Gesellschaftsrecht von Jurisprudentia referiert. Thema seines Vortrags war “Insolvenz der Gesellschaft  – die strafrechtliche Komponente der Beratung, Vertretung und Verteidigung“.

Das Seminar richtet sich an Fachanwälte für Handels- und Gesellschaftsrecht. Rechtsanwalt Dr. Rudolph ging auf die spezifisch strafrechtlichen Probleme des Unternehmens in der Krise ein. Neben den typischen Insolvenzstraftaten wie der Insolvenzverschleppung nach § 15a InsO und den Bankrottdelikten nach §§ 283 ff. StGB wurden auch die Insolvenzdelikte im weiteren Sinn behandelt. In der Krisensituation kommt es nicht selten zusätzlich zu Betrug, Untreue oder Steuerhinterziehung.

Die Fortbildungsveranstaltung beleuchtete zudem besondere Verteidigungsansätze, die in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzverschleppung  zum Tragen kommen können. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem Verwendungsverbot des § 97 InsO. Das Spannungsverhältnis zwischen Auskunfts- und Mitteilungspflichten zum Schweigerecht im Strafverfahren (nemo tenetur se ipsum accusare) ist weitgehend ungeklärt und birgt großes Verteidigungspotential in sich. Im Detail wird diese Problematik von Dr. Rudolph in seinem Aufsatz „Nemo tenetur und die Verwertbarkeit von Geschäftsunterlagen“ behandelt, der in der Mai-Ausgabe des Strafverteidiger Forums erschienen ist (StraFo 2017, S. 183–188).

Das Skript zum Insolvenzstrafrecht können Sie hier herunterladen.

Die Präsentation zur Veranstaltung ist hier verfügbar.

Medizinstrafrecht / Wirtschaftsstrafrecht

Traditionell waren sogenannte „Schein-Selbständige“ vor allem im Transportsektor oder auf dem Bau zu finden. In letzter Zeit fokussieren sich die Ermittler jedoch auch auf hochqualifizierte Kräfte. Ärzte, OP-Schwestern und andere Fachkräfte, die auf Honorar-Basis in Kliniken tätig sind, sollten daher die gewählten Gestaltungen rechtlich überprüfen lassen.

Auf staatlicher Seite sind für die Ermittlungen im Bereich der „Schwarzarbeit“ nicht nur die Sozialversicherungsbehörden eingebunden. Bei den Hauptzollämtern sind Spezialabteilungen angesiedelt, die sich ausschließlich um Fälle potenzieller Schein-Selbständigkeit kümmern. Besteht der Verdacht der Hinterziehung oder Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen, wird die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Gründe für den Einsatz von Honorarkräften

Die Ersparnis von Sozialversicherungsbeiträgen ist nur ein möglicher Grund, Honorarkräfte anstelle von festangestellten Arbeitnehmern zu beschäftigen. Die Motivlage kann vielfältig sein. Gerade im Krankenhaus-Bereich kann es in sensiblen Abteilungen zu plötzlichen Personalengpässen kommen, sei es durch unerwartete Kündigungen, plötzliche Krankheiten oder aufgrund von Schwangerschaften. Häufig kann akuter Personalbedarf nicht kurzfristig am Arbeitsmarkt gedeckt werden, zumal jedenfalls in den schwangerschafts- und krankheitsbedingten Fällen von Personalmangel auch nur vorübergehende Lösungen gesucht werden und entsprechende Stellen nur befristet zur Verfügung stehen. Gerade Stellen für Fachkräfte können häufig nicht – und schon gar nicht kurzfristig – besetzt werden.

In solchen Fällen greifen Kliniken gerne auf – potenziell selbstständige – Honorarkräfte zurück. In den meisten Fällen werden die Honorarkräfte von entsprechenden Agenturen vermittelt. Für die Klinik ist die Honorarkraft in aller Regel teurer. Selbst wenn zunächst einmal keine Sozialversicherungsbeiträge für die Honorarkraft bezahlt werden, liegen die Stundensätze deutlich über dem, was eine tarifvertraglich beschäftigte Kraft erhalten würde. Außerdem erhalten die Vermittlungsagenturen in aller Regel eine Provision, die zusätzlich zu berücksichtigen ist. Spontaneität und Flexibilität haben eben ihren Preis.

Scheinselbstständigkeit

Was macht die auf Basis eines Honorarvertrags beschäftigte OP-Schwester zur Scheinselbständigen?

Die Anforderungen, die eine Arbeitskraft erfüllen muss, um als selbstständig zu gelten, sind branchenunabhängig. Es sind stets dieselben Parameter zu berücksichtigen. Für die Beurteilung, ob eine selbstständige oder eine abhängige Beschäftigung vorliegt, kommt es etwa darauf an, inwieweit die eingesetzten Personen hinsichtlich ihrer Arbeitszeit, ihres Arbeitsortes, der Art, Dauer und Ausführung ihrer Tätigkeit weisungsgebunden sind oder inwiefern sie in eine größere Struktur eingebunden werden. Bei der Prüfung, ob Selbstständigkeit vorliegt, wird u.a. darauf geachtet, ob die Honorarkraft ihrerseits eigene Angestellte hat, ob sie eigenes Arbeitsgerät verwendet oder eigene Arbeitskleidung trägt. Kriterien sind weiterhin, ob ein Gewerbe angemeldet ist, eine eigene Berufshaftpflichtversicherung besteht oder ob die Aufnahme der Tätigkeit der Berufsgenossenschaft mitgeteilt wurde.

Nur in seltenen Fällen werden Honorarkräfte alle Kriterien erfüllen. Wenn es an einzelnen Kriterien fehlt, muss jedoch nicht zwingend Scheinselbstständigkeit vorliegen. Es kommt stets auf eine Gesamtschau an.

Scheinselbstständige im Klinik-Sektor

Je nachdem, wie die Gesamtschau ausfällt, handelt es sich bei der Honorarkraft um einen selbstständigen oder einen abhängig beschäftigten Arbeitnehmer. Die finanziellen Auswirkungen der Einstufung können für eine Klinik beträchtlich sein. Gerade, wenn mehrere Honorarkräfte über einen längeren Zeitraum beschäftigt werden – was in größeren Krankenhäusern regelmäßig der Fall sein wird – kann die Nachforderung der Sozialversicherungsabgaben schnell einen sechsstelligen Betrag ausmachen.

Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Dimension überrascht es nicht, wenn entsprechende Beurteilungen durch den Sozialversicherungsträger auch gerichtlichen Überprüfungen zugeführt werden. So sind in den letzten Jahren zahlreiche sozialgerichtliche Entscheidungen in diesem Kontext ergangen. Entsprechende Entscheidungen gibt es etwa vom SG Dortmund (Urteil vom 29.10.2013, Az. S 25 R 2232/12 und Urteil vom 20.02.2015, Az. S 34 R 2153/13), vom Hessischen LSG (Urteil vom 26.03.2015, Az. L 8 KR 84/13) oder vom LSG NRW (Urteil vom 26.11.2014, Az. L 8 R 573/12), vom Bayerischen LSG (Urteil vom 28.05.2013, Az. L 5 R 863/12) und vom LSG Niedersachen – Bremen (Urteil vom 16.12.2015, Az. L 2 R 516/14). Sämtliche Entscheidungen sind zu Lasten der Kliniken ergangen, die Honorarkräfte wurden in allen Fällen als abhängig Beschäftigte eingeordnet.

Aus der Vielzahl an Urteilen lässt sich aber zweierlei ablesen:

  1. Es handelt sich nicht um Einzelfälle.
  2. Jedenfalls für Zeiträume, die vor den ergangenen Urteilen liegen, muss man davon ausgehen, dass die Rechtslage auch bei Experten umstritten war.

Einige der Urteile liegen schon mehrere Jahre zurück. Gleichwohl wurde die Thematik von den Interessen- und Dachverbänden der Krankenhausträger erst relativ spät aufgegriffen. Zum Teil sind Mitteilungen über die sozialgerichtlichen Urteile erst Mitte 2015 in der einschlägigen Fachpresse erschienen.

Zusatzproblem: 266a StGB

Hat die sozialversicherungsrechtliche Einordnung der Honorarkräfte durch die Sozialgerichtsbarkeit für die Kliniken die unschöne Folge, dass zusätzlich zu den – ohnehin höheren – Honoraren Sozialversicherungsbeiträge nachentrichtet werden, ergibt sich ein zusätzliches Problem. Mit ähnlicher zeitlicher Verzögerung wie die Branchenverbände wurden die Ermittlungsbehörden auf die gewandelte sozialversicherungsrechtliche Einordnung aufmerksam. Es wurden bundesweit Ermittlungsverfahren gegen Klinik-Geschäftsführer eingeleitet, die in Einzelfällen auf sonstige Verantwortliche, etwa Compliance-Beauftragte oder Personaldienstleiter ausgeweitet wurden.

Ermittelt wird wegen eines Verstoßes gegen § 266a StGB – dem Straftatbestand des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt. Die Strafnorm ist erfüllt, wenn Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt werden. Für die Frage, ob Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssen, ist die sozialversicherungsrechtliche Einordnung maßgeblich. Die Norm ist sozialrechtsakzessorisch ausgestaltet. Wird eine Arbeitskraft als (sozialrechtlich) scheinselbstständig eingeordnet, hat das zur Folge, dass ein Verstoß gegen § 266a StGB im Raum steht.

Bei § 266a StGB handelt es sich um ein sogenanntes echtes Unterlassungsdelikt. Es wird also ein Nicht-Handeln unter Strafe gestellt, nämlich das Nicht-Abführen der an sich geschuldeten Sozialversicherungsabgaben. Wird später erkannt, dass ein Beschäftigter abhängig beschäftigt ist, sind die Sozialversicherungsbeiträge von Anfang an geschuldet.

Das strafrechtliche Risiko trifft zunächst die Klinikleitung, in aller Regel den Geschäftsführer. Die Hauptaufgabe eines Geschäftsführers ist es, die Klinik wirtschaftlich erfolgreich zu führen. Die Beurteilung, ob alle Beschäftigungsverhältnisse sozialversicherungsrechtlich korrekt verortet sind, gehört regelmäßig nicht zu seinen Kernkompetenzen. Und gerade hier eröffnen sich Verteidigungsansätze. Denn selbst, wenn der objektive Tatbestand des § 266a StGB relativ leicht erfüllt ist, ist fraglich, ob Vorsatz vorlag. Voraussetzung dafür ist, dass die Arbeitgeberstellung der Klinik vom Vorstellungsbild des Geschäftsführers umfasst wird. Dazu genügt nicht die bloße Kenntnis der Tatsachen, vielmehr ist eine zutreffende rechtliche Bewertung nach Laienart zu verlangen. Es handelt sich bei der Frage, ob Arbeitgeber-/Arbeitnehmereigenschaft vorliegt um ein sogenanntes normatives Tatbestandsmerkmal. Wenn bereits unter Fachleuten lange Zeit umstritten war, wie ein Beschäftigungsverhältnis sozialversicherungsrechtlich einzuordnen ist, kann selbst von einem geschäftserfahrenen Unternehmensleiter nicht erwartet werden, dass er eine zutreffende rechtliche Einordnung vornimmt. Abhängig von der Gestaltung des Einzelfalls ist zu diskutieren, ob ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB oder ein nicht vermeidbarer Verbotsirrtum nach § 17 StGB vorliegt. In beiden Fällen läge Straffreiheit vor.

Die Einlassung, dass die Verantwortlichkeit für Personalfragen nicht direkt beim Geschäftsführer liegt, ist nicht risikolos. Es gibt rechtlich keine Möglichkeit, die strafrechtliche Verantwortung komplett zu delegieren, es besteht zumindest eine Überwachungspflicht. Es ist im Rahmen der Verteidigung daher sorgfältig abzuwägen, ob die interne Geschäftsverteilung frühzeitig offengelegt werden soll. Einerseits besteht so eine brauchbarer Verteidigungseinsatz für den Geschäftsführer, andererseits erhöht man die Gefahr, weitere Mitarbeiter des Unternehmens, etwa den Personalleiter, in den Fokus strafrechtlicher Ermittlungen zu rücken.

Präventive Maßnahmen

Strafrechtliche Ermittlungen im Unternehmen sind stets eine Belastung für alle Betroffenen. Vernünftigerweise sind Strafbarkeitsrisiken daher bereits im Vorfeld zu vermeiden.

Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte bei fraglichen Beschäftigungsverhältnissen bereits im Vorfeld ein Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung durchführen. Diese kann rechtsverbindlich feststellen, ob Sozialversicherungsbeiträge abzuführen sind.

Fällt das Statusfeststellungsverfahren nicht wie gewünscht aus, drohen nicht nur Nachzahlungspflichten sondern auch strafrechtliche Ermittlungen. Gerade bei bereits beendeten Beschäftigungsverhältnissen besteht deshalb eine nachvollziehbare Versuchung, die Dinge auf sich beruhen zu lassen.

In Folge der zahlreichen sozialgerichtlichen Urteile werden die Honorarverträge bei Kliniken in größerem Umfang überprüft, sowohl sozial- als auch strafrechtlich. So ermittelt beispielsweise die Staatsanwaltschaft Düsseldorf derzeit in einem großen Verfahren gegen mehrere Dutzend Kliniken. Es ist davon auszugehen, dass auch andere Ermittlungsbehörden auf dieses Thema aufmerksam werden.

Wegen des drohenden Entdeckungsrisikos ist daher von einem einfachen Abwarten dringend abzuraten. Das Gesetz sieht zwar keine der steuerrechtlichen Selbstanzeige vergleichbare strafbefreiende Offenbarungsmöglichkeit vor – § 266a Abs. 6 StGB ist etwa nicht anwendbar, weil die Forderungen schon längst fällig sind. Eine umfassende präventive strafrechtliche Beratung kann jedoch in vielen Fällen helfen, Schlimmeres zu verhindern.

Die Grundproblematik der komplexen Wechselwirkung zwischen Straf- und Sozialrecht, die nicht immer auf den ersten Blick zu durchschauen ist, lässt sich argumentativ nutzbar machen. Hilfreich ist, wenn Überlegungen zur Arbeitgeber-/Arbeitnehmereigenschaft ordentlich dokumentiert worden sind. Kann man nachweisen, dass die Frage der abhängigen Beschäftigung nicht auf die leichte Schulter genommen wurde, sondern eine eigene Abwägung getroffen wurde und entsprechende Erkundigungen eingeholt worden sind, stellt sich die Frage, ob ein (Verbots-)Irrtum hätte vermieden werden können.

Opportunitätseinstellung

266a StGB schützt zwar in erster Linie das Interesse der Solidargemeinschaft. Es soll sichergestellt werden, dass die Zahlungspflicht in die Sozialkassen erfüllt wird. Reflexartig wird aber auch das Interesse der Arbeitnehmer geschützt.

Anders als Scheinselbständige aus anderen Branchen, haben Honorarkräfte im Klinikbereich in aller Regel kein Interesse, als Arbeitnehmer eingeordnet zu werden. Die Entscheidung, die Arbeitskraft selbständig anzubieten, erfolgt in aller Regel aus freien Stücken. Nicht selten geht der Wunsch, selbständig zu arbeiten, von der Honorarkraft selbst aus. Im Klinikbereich sind die Honorare, die im Rahmen einer (vermeintlich) selbständigen Tätigkeit erzielt werden, häufig deutlich über dem tarifvertraglichen Gehalt. Es liegen also gerade keine prekären Beschäftigungsverhältnisse vor, wie sie vom Gesetz verhindert werden sollen.

Wenn dazu noch „Schadenswiedergutmachung“ kommt, also wenn die ausstehenden Sozialversicherungsbeiträge nachentrichtet werden, sollte auf jeden Fall versucht werden, über die Möglichkeiten einer Opportunitätseinstellung, d.h. i.d.R. die Einstellung des Strafverfahrens gegen Geldauflage, zu diskutieren.

Auch hier gilt: Abwarten, bis ein fragwürdiges Beschäftigungsverhältnis entdeckt wird, ist die falsche Taktik. Der Verteidigungsspielraum ist bei einem kontrollierten „Ziehen der Reißleine“ deutlich größer.