Im Februar 2021 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) festgestellt, dass ein deutsches Strafverfahren nicht den Anforderungen an ein faires Verfahren nach internationalen Standards entsprach, da die beteiligten Richter befangen waren (Fall Meng vs. Deutschland). Seitdem kam Bewegung in die Diskussion, unter welchen Voraussetzungen ein Richter befangen ist, der bereits in einem anderen Verfahren tätig war.
Deutschland hat im Juni 2021 elektronische Daten aus Dubai erworben, um Steuerstraftaten aufzudecken. Bereits vor einigen Jahren hatte Deutschland aus der Schweiz sogenannte Daten-CDs aufgekauft, die zur Einleitung einer Vielzahl von Steuerstrafverfahren führten.
Sogenannte Umsatzsteuerkarusselle haben in den letzten Jahren in Deutschland immer wieder zu Gerichtsverfahren wegen Steuerhinterziehung geführt.
Als „Güterstands-Schaukel“ wird eine steuerliche Gestaltung bezeichnet, die es vermögenden Eheleuten ermöglicht, von einem Partner auf den Anderen Geld zu übertragen – ohne dass dabei Schenkungssteuer anfällt. An der Schnittstelle zwischen Strafrecht und Steuerrecht können sich Probleme auftun.
Ist es für eine steuerliche Selbstanzeige in den Airbnb-Fällen zu spät?
Seitdem die öffentliche Diskussion über eine mögliche Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung wegen privater Vermietungen über Airbnb begann, melden sich vereinzelt Stimmen zu Wort, die den Standpunkt vertreten, dass es für eine strafbefreiende Selbstanzeige bereits „zu spät“ sei.
Derartigen Behauptungen ist zu widersprechen. Es spricht vieles dafür, dass es für eine Selbstanzeige trotz der laufenden internationalen Auskunftsersuchen noch nicht zu spät ist.
Sperrgrund der Tatentdeckung bei Selbstanzeige
Diese Rechtsauffassung stützt sich auf eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen, die sogenannte „Panzerhaubitzen-Entscheidung“. In dieser Entscheidung vom 9. Mai 2017 ging es darum, ob eine Steuerhinterziehung bereits dann „entdeckt“ im Sinne von § 371 AO ist, wenn der Sachverhalt einem ausländischen Staat (in der BGH-Entscheidung war es Griechenland) bekannt ist. Die Tatentdeckung, die gem. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO zur Unwirksamkeit der Selbstanzeige führt, läge dann vor, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass der Sachverhalt die zuständigen Deutschen Finanzbehörden erreicht. Der BGH in diesem Zusammenhang klargestellt, dass auch ausländische Staaten bzw. Angehörige ausländischer Behörden grundsätzlich zur Tatentdeckung beitragen können, wenn sie Kenntnis von in Deutschland begangenen Steuerhinterziehungen haben.
Für die Tatentdeckung genügt es jedoch nicht, dass irgendeine Information beim ausländischen Staat vorliegt. Vielmehr stellt der BGH klar:
„Die Kenntniserlangung von einer Steuerquelle stellt für sich allein allerdings noch keine Tatentdeckung dar. Welche Umstände hinzukommen müssen, damit die Tat (wenigstens zum Teil) entdeckt ist, bleibt dabei einer Beurteilung des konkreten Einzelfalls vorbehalten. In der Regel ist eine Tat aber bereits dann entdeckt, wenn unter Berücksichtigung der zur Steuerquelle oder zum Auffinden der Steuerquelle bekannten weiteren Umstände nach allgemeiner kriminalistischer Erfahrung eine Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit nahe liegt. Eine Entdeckung der Tat ist somit bei verschleierten Steuerquellen bereits vor einem Abgleich mit den Steuererklärungen des Steuerpflichtigen denkbar, wenn die Art und Weise der Verschleierung nach kriminalistischer Erfahrung ein signifikantes Indiz für unvollständige oder unrichtige Angaben ist.“
Auf die Airbnb-Fälle übertragen bedeutet dies, dass zwar damit zu rechnen ist, dass Irland seinen internationalen innerstaatlichen Verpflichtungen nachkommt. Es ist aber noch lange nicht gesagt, dass das, was Irland weiß, zu einer „Tatendeckung“ ausreicht.
Genügt das, was die irischen Behörden über deutsche Airbnb-Vermieter wissen, um von einer Tatentdeckung auszugehen?
Meines Erachtens ist die Antwort Nein. Denn es bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Airbnb-Fällen und internationaler Korruption der Rüstungsindustrie. Nach den Maßstäben des BGH kommt es auf die „Art und Weise der Verschleierung“ an, und darauf, ob dies „nach kriminalistischer Erfahrung ein signifikantes Indiz für unvollständige und unrichtige Angaben“ sind. Gemeint sind Briefkastengesellschaften, Panama-Konten, fragwürdige Versicherungsmäntel oder undurchdringbare Firmengeflechte. Derartige typische kriminelle Gestaltungen liegen bei Airbnb-Fällen gerade nicht vor. Tatsächlich haben auch sehr viele deutsche private Vermieter die zusätzlichen Nebeneinkünfte dem Finanzamt ordnungsgemäß mitgeteilt.
Die „Art und Weise“ der Verschleierung dürfte daher im Ergebnis bei Airbnb-Sachverhalten noch nicht ausreichen, um zu unterstellen, dass jeder, der Einnahmen aus der Vermietung aus Airbnb hat, auch tatsächlich ein Steuerhinterzieher ist.
Nach alledem ist eine Tatentdeckung erst dann anzunehmen, wenn die konkreten Daten von Irland nach Deutschland übermittelt wurden UND die deutschen Finanzämter nach Abgleich mit den Steuern, die von den jeweiligen Vermietern tatsächlich erklärt wurden, festgestellt haben, dass diese unvollständig sind. Es gelten insoweit dieselben rechtlichen Maßstäbe, wie sie auch bei den sogenannten Steuer-CDs mit Kapitaleinkünften aus der Schweiz in den letzten Jahren angelegt wurden.
Noch keine Gerichtsentscheidungen
Gerichtliche Entscheidungen über die Thematik liegen nicht vor. Wer sich für eine Selbstanzeige entschließt, sollte sich daher des Risikos bewusst sein, dass niemand eine sichere Prognose geben kann, wie die Gerichte mit Airbnb-Fällen letztlich umgehen werden.
Im schlimmsten Fall würde sich eine „fehlgeschlagene Selbstanzeige“ immer noch im erheblichen Maße strafmildernd auswirken. Im Ergebnis dürften in den allermeisten Fällen daher trotz der unsicheren Rechtslage die Vorteile einer – gut gemachten! – Selbstanzeige die möglichen Nachteile einer Selbstanzeige im Hinblick auf das Strafrecht überwiegen.
Goldene Brücke der Finanzverwaltung zur Selbstanzeige
Im Übrigen dürfte auch die Finanzverwaltung kein Interesse daran haben, steuerliche Selbstanzeigen im Keime zu ersticken. Das Gegenteil ist der Fall. Die Finanzverwaltung dürfte einen Grund dafür gehabt haben, weshalb sie die verstärkten Ermittlungen in Richtung Airbnb-Vermieter über die Presse öffentlich bekannt gegeben haben. Eine professionelle und vollständige Selbstanzeige macht den Finanzbeamten im Zweifel deutlich weniger Arbeit, als aufwendige Ermittlungen anhand eines Datensatzes aus dem Ausland. Die Öffentlichkeitsarbeit der Finanzämter ist als eine Art „goldene Brücke zur Selbstanzeige“ zu sehen.
Der deutsche Fiskus interessiert sich immer mehr für Steuern aus der Vermietung von Privatwohnungen über Airbnb. Denjenigen, die bisher keine Steuern erklärt haben, drohen Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung. Diese können durch rechtzeitige Selbstanzeigen abgewendet werden.
Derzeit sind beim Bundesfinanzhof zwei Verfahren anhängig (Aktenzeichen II R 41/14 und II R 42/14, bei denen es um die Frage geht, unter welchen Voraussetzungen die Übertragung von Vermögen zwischen nahen Familienangehörigen schenkungssteuerpflichtig ist. Im Kern geht es dabei um die Frage, welche Anforderungen an den Nachweis gestellt werden, wenn die Beteiligten sich auf interne zivilrechtliche Absprachen berufen, die von der formalen Gestaltung abweichen.
1) Vermögensübertragungen zwischen Familienangehörigen
Nachdem in den letzten Jahren durch die Bundesrepublik Deutschland von ehemaligen Mitarbeitern Schweizer Banken Datenträger erworben wurden, auf denen sich die Daten von „Steuerflüchtlingen“ in der Schweiz befanden (sogenannte „Steuer-CD’s“), kam es zu der Einleitung einer Vielzahl von Steuerstrafverfahren. Die meisten davon sind inzwischen strafrechtlich abgearbeitet – in der Regel durch den Erlass eines Strafbefehls oder einer Einstellung gegen Geldauflage. In einigen der Fälle wurden jedoch steuerrechtliche, insbesondere schenkungssteuerrechtliche Fragen aufgeworfen, die vom höchsten deutschen Finanzgericht, Bundesfinanzhof in München, zu klären sind. Dies betrifft insbesondere Fälle, bei denen mehrere Familienangehörige Inhaber eines Schweizer Bankkontos waren bzw. bei denen es zu Vermögensübertragungen zwischen nahen Angehörigen kam.
In der Folge des Ankaufs der Schweizer Daten-CDs kam es darüber hinaus in den letzten Jahren zu einer Vielzahl steuerlicher Selbstanzeigen. Diese wurden ebenfalls in der Regel von Personen abgegeben, die als „Altersvorsorge“ ein Konto im Ausland, beispielsweise in der Schweiz, unterhalten hatten. Bei der Anfertigung von Selbstanzeigen stellt sich aus Sicht der Berater häufig das Problem, dass es nicht ganz einfach ist, zu ermitteln, wer überhaupt verantwortlicher Inhaber von im Ausland angelegten Vermögen ist.
2) Selbstanzeige bei Schenkungssteuer
Eine professionell gestaltete Selbstanzeige ist so anzufertigen, dass das Finanzamt in die Lage versetzt wird, aus dem vollständig mitgeteilten Sachverhalt die Steuern ohne weitere Nachforschungen festzusetzen. Lücken, Fehler oder Unklarheiten bei der Darstellung eines Lebenssachverhalts führen zur Unwirksamkeit einer Selbstanzeige – mit der Folge, dass gegen die Betroffenen ein Strafverfahren eingeleitet und in der Regel auch eine Strafe verhängt wird.
Demgegenüber führen unterschiedliche Rechtsauffassungen zwischen einem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt nicht zur Unwirksamkeit einer Selbstanzeige. Es bleibt daher unbenommen, einen Sachverhalt, der im Rahmen einer steuerlichen Selbstanzeige dem Finanzamt mitgeteilt wird, in einem anschließenden Einspruchs- und/oder finanzgerichtlichen Verfahren in rechtlicher Hinsicht überprüfen zu lassen.
Aus diesem Grund empfiehlt es sich in der Regel nicht, Selbstanzeigen lediglich in der Form ausgefüllter Steuerformulare abzugeben. Vielmehr sollte juristisch klar zwischen Lebenssachverhalt und Rechtsauffassung getrennt werden – was eher die Aufgabe eines Rechtsanwalts als diejenige eines Steuerberaters ist.
Im Rahmen einer Selbstanzeige, die für mehrere Personen erstellt wird, muss in ertragssteuerlicher Hinsicht (Einkommenssteuer) deutlich werden, wem und in welcher Höhe die steuerpflichtigen Kapitalerträge zuzurechnen sind. Diese Frage ist nicht immer ganz einfach zu beantworten, wenn beispielsweise mehrere Personen an einem Konto beteiligt sind, aber keine ausdrücklichen Absprachen gemacht wurden, wer mit welchem Prozentsatz wirtschaftlich berechtigt sein soll, über das Geld zu verfügen.
Bei der Anfertigung einer Selbstanzeige ist auch auf etwaige Schenkungssteuer Rücksicht zu nehmen – die manchmal übersehen wird. Eine Besonderheit bei der Schenkungssteuer ist, dass die – in der Regel zehnjährige Frist der steuerlichen Festsetzungsverjährung (vgl. § 169 Absatz II S. 2 Abgabenordnung) – gemäß § 170 Absatz V Nr. 2 der Abgabenordnung nicht vor Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat. Die strafrechtliche Verjährung für Steuerhinterziehungen beträgt in der Regel fünf Jahre, kann aber, da schnell hohe Beträge zusammenkommen, sich gemäß § 376 der Abgabenordnung in besonders schweren Fällen auch auf zehn Jahre erstrecken. Nach der Neufassung der Selbstanzeige im Jahr 2015 sind in jedem Fall mindestens die letzten 10 Jahre im Blick zu behalten, in der Praxis regelmäßig sogar mehr.
3) Die Tücken von Gemeinschaftskonten
Die rechtlichen Probleme im Bereich des Schenkungssteuerrechts tun sich auf, weil das im Ausland angelegten Vermögen oft über viele Jahre dort lagert und von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Ausländische Banken – dazu gehören auch Schweizer Großbanken, wie etwa die Credit Suisse oder die UBS – haben sich in der Vergangenheit nicht immer viele Gedanken darüber gemacht, welche steuerrechtlichen, insbesondere schenkungssteuerrechtlichen Konsequenzen die Gestaltung der vertraglichen Beziehungen zu ihren Kunden haben.
Insbesondere Eheleuten äußerten in der Vergangenheit gegenüber Schweizer Banken regelmäßig den Wunsch, dass das angelegte Geld demjenigen Ehegatten zur Verfügung stehen soll, der den anderen überlebt. Außerdem sollten die Erben, in der Regel die Kinder, Zugriff auf das im Ausland angelegte Geld haben sollen, wenn beide Eheleute gestorben sind.
Da man davon ausging, dass das Geld ohnehin dauerhaft vor den Augen des Deutschen Fiskus verborgen bleibt, wurden Gestaltungen gewählt, bei denen beispielsweise die Vorlage eines Erbscheins nicht erforderlich sein sollte. Den Kunden wurden durch die Banken oft empfohlen, zu diesem Zweck ein Formular zu unterschreiben, in welchem beide Eheleute als Mitinhaber des Kontos ausgewiesen werden. Nicht selten wurden auch Kinder als weitere Mit-Inhaber des Kontos geführt. Auf diese Weise sollte sichergestellt werden, dass die Kinder ohne bürokratische Hürden nach dem Tod der Eltern Zugriff auf das Auslandsvermögen haben. Denn wenn ein Inhaber eines Gemeinschaftskontos stirbt, so wächst das übrige Vermögen in der Regel den überlebenden Mit-Inhabern zu.
Die Mit-Inhaberschaft führt nach deutschem Zivilrecht gemäß der Vermutung des § 430 BGB bei Gemeinschaftskonten dazu, dass jeder Mitinhaber zu gleichen Teilen berechtigt ist. Dies bedeutet, dass, wenn beispielsweise eine Millionen Euro, die von dem Ehemann stammen, auf ein gemeinschaftliches Konto der Eheleute angelegt werden, eine Vermögensübertragung in Höhe von 500.000,00 Euro an die Ehefrau stattfindet. Wenn neben der Ehefrau auch noch zwei Kinder als Mitinhaber des Kontos eingetragen sind, erhält jedes Familienmitglied bei dem Vorgang 250.000,00 Euro. Sofern die schenkungssteuerlichen Freibeträge überschritten sind (diese betragen gemäß § 16 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes aktuell bei Ehegatten 500.000,000 Euro und bei Kindern 400.000,00 Euro; in der Vergangenheit waren die Freibeträge niedriger), löst die Übertragung von Vermögenswerten Schenkungssteuer aus, und zwar am Wohnsitz der Betroffenen, d.h. in Deutschland.
Die Schenkungssteuer wird in der Regel auch dann fällig, wenn das Konto von einem Inhaber auf einen anderen umgeschrieben wird. Nicht selten kam es bei „Schwarzgeld-Konten“ vor, dass Vermögen, welches beispielsweise nach einer Erbschaft ausschließlich auf den Namen der Mutter lief, auf ein Konto umgeschrieben wurde, welches auf den Namen eines der Kinder angelegt war. Auch in diesem Fall wird das Finanzamt im Zweifel unterstellen, dass eine endgültige Übertragung von der Mutter auf das Kind als neuen Kontoinhaber gewollt war.
Die zivilrechtliche Vermutung der Mitinhaberschaft bzw. der endgültigen Vermögensübertragung entspricht jedoch nicht immer dem tatsächlichen Willen der Beteiligten. Häufig besteht vielmehr Einigkeit darüber, dass das Geld der Eltern-Generation zur freien Verfügung bleiben soll, bis zu deren Tod – unabhängig von der formalen Inhaberschaft. Die Gestaltung mit gemeinschaftlichen Oder-Konten bzw. durch Namensumschreibungen diente vor diesem Hintergrund in erster Linie dazu, sicherzustellen, dass ein Zugriff auf das Auslandsvermögen nach dem Tod der Eltern durch die Erben möglich bleibt, ohne dass hierzu weitere Formalitäten erforderlich sind, die das Entdeckungsrisiko durch die deutschen Steuerfahnder erhöht hätten.
4) Vermeidung von Schenkungssteuer
Die Problematik der Schenkungssteuer hätte sich vermeiden lassen können, indem entweder sorgfältig darauf geachtet wird, dass nur diejenigen, denen das Geld wirtschaftlich zu Lebzeiten zustehen soll, auch als formale Inhaber durch die Bank geführt werden. Schenkungssteuerrechtlich unproblematisch sind bei einer solchen Gestaltung in der Regel bloße Vollmachten auf den Todesfall, die es beispielsweise den Kindern ermöglichen, sich gegenüber der Bank im Erbfall als Erben zu legitimieren.
Eine andere Möglichkeit wäre eine eindeutig dokumentierte zivilrechtliche Absprache dahingehend, dass die formale Inhaberstellung nicht die wahre Zivilrechtslage abbildet. Möglich wäre beispielsweise eine schriftliche Vereinbarung zwischen zwei Eheleuten, dass das Geld, welches auf einem gemeinschaftlichen Konto angelegt ist, ausschließlich einem der beiden Eheleute zuzurechnen ist. Umgekehrt ließen sich schriftliche Vereinbarungen dahingehend treffend, das Geld, welches beispielsweise auf einem Konto unter dem Namen eines Kindes geführt wird, zu Lebzeiten ausschließlich und ohne Beschränkung durch die Eltern verwaltet und verwendet werden darf.
Derartige Gestaltungen waren faktisch häufig gewollt. Nur in den seltensten Fällen kam es jedoch zu hinreichend dokumentierten schriftlichen Vereinbarungen über eine von der formalen Inhaberstellung abweichenden tatsächlichen Zivilrechtslage. Dies lag zum einen daran, dass sich der Sachverhalt innerhalb der Familie abspielte, d.h. man nicht damit rechnete, diesen gegenüber Dritten offenlegen oder erklären zu müssen. Zum anderen wollte man, da es sich um „Schwarzgeld“ handelte, so wenig wie möglich Papier schaffen, um das Entdeckungsrisiko gering zu halten.
Eine nachträglich angefertigte schriftliche Vereinbarung über die gewollte Zivilrechtslage wird von der Finanzverwaltung regelmäßig nicht als Nachweis dafür anerkannt, dass eine bestimmte zivilrechtliche Gestaltung bereits in der Vergangenheit gewollt war. Ein entsprechendes Dokument hat nur dann einen Beweiswert, wenn es ein Datum vor der Vermögensübertragung ausweist.
Würde man einen entsprechenden schriftlichen Vertrag nachträglich aufsetzen und mit Täuschungsabsicht rückdatieren, so wäre dies eine neue Straftat (die in der Regel auch auffliegt, da die Steuerfahnder beispielsweise durch Papier- oder Tinten-Analyse durchaus in der Lage sind, zu ermitteln, ob ein Dokument eine Woche oder 20 Jahre alt ist).
5) Wenn das Finanzamt die Wahrheit nicht glauben will
Wollten sich Steuerbürger in der Vergangenheit darauf berufen, dass zivilrechtlich eine Gestaltung gewollt war, die von der formalen Inhaber-Stellung abweicht, so ließ das Finanzamt dies nach den bisherigen Maßstäben nur gelten, wenn eindeutige schriftliche Vereinbarungen vorgelegt wurden und kein Zweifel daran bestand, dass diese auch vor den entsprechenden Vermögensübertragungen bereits angefertigt worden waren. Die Finanzbehörden – und auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) – verfolgten insoweit einen streng formalistischen Ansatz.
Durch eine Entscheidung des BFH vom 23.11.2011 (Aktenzeichen II R 33/10) kam jedoch Bewegung in die Diskussion. In diesem Urteil stellte der BFH klar, dass in bestimmten Konstellationen, aus dem tatsächlichen Verhalten von Personen auf die jeweilige Vermögenszuordnung zu schließen ist, selbst wenn es keine ausdrücklichen mündlichen oder schriftlichen Absprachen gab.
Die Rechtsanwälte der Kanzlei Rudolph Rechtsanwälte nahmen diese Entscheidung zum Anlass, den streng formalistischen Ansatz, der bisher durch die Finanzbehörden bei der Beurteilung von Vermögensübertragungen verfolgt wurde, grundsätzlich in Frage zu stellen. Beide der derzeit noch beim Bundesfinanzhof in München anhängigen Fälle wurden zwar durch das Finanzgericht Nürnberg im Sinne der Finanzverwaltung nach den bisherigen Maßstäben entschieden. Die Klagen wurden in erster Instanz abgewiesen. Das Finanzgericht Nürnberg hat jedoch in den Urteilen vom 15.05.2014 (Az. 4 K 1300/11) und vom 15.05.2014 (Az. 4 K 1403/12) die Revision zugelassen, d.h. zumindest konzediert, dass durch die jeweiligen Fälle Rechtsfragen aufgeworfen werden, die von grundsätzlicher Bedeutung sind und der Klärung bedürfen.
Beide Verfahren sind derzeit noch beim Bundesfinanzhof (BFH) in München anhängig, dem höchsten deutschen Finanzgericht.
6) Fall „Steuer-CD“
Der erste der beiden Fälle geht auf Ermittlungen zurück, die durch Daten auf einer sogenannten Steuer-CD ausgelöst wurden. Schon in den 80iger Jahren hatte der Ehemann in der Schweiz ein Depot auf seinen Namen eröffnet und dort Geld angelegt. 30 Jahre später eröffnete die Ehefrau bei derselben Bank ein auf ihren Namen lautendes Konto. Das Vermögen von dem Konto des Ehemannes wurde vollständig auf das neue Konto der Ehefrau übertragen. Dem Ehemann wurde Vertretungsvollmacht für das neue Konto eingeräumt. Die Eheleute leben im gesetzlichen Güterstand.
Das Finanzamt wertete den Vorgang als schenkungssteuerpflichtig – und zwar dahingehend, dass der gesamte Betrag, der von dem einen Konto auf das andere übertragen worden war, als Grundlage für die Bemessung der Schenkungssteuer zu Grunde gelegt wurde. Diese Sichtweise wurde durch das Finanzgericht Nürnberg in dem Urteil vom 15.05.2014 (Az 4 K 1390/11) bestätigt (vgl. dazu auch die Anmerkung des Vorsitzenden Richters am FG Deimel).
In dem Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof (Az. II R 41/14) wird im Namen der Steuerpflichtigen durch die Nürnberger Kanzlei Rudolph Rechtsanwälte demgegenüber vertreten, dass richtigerweise nur die Hälfte des übertragenen Vermögens als schenkungssteuerrechtliche Bemessungsgrundlage anzusetzen ist.
Zwischen den Eheleuten bestand Einigkeit dahingehend, dass nach der formalen Übertragung auf das Konto der Ehefrau das Geld dieser alleine gehören soll. Anders vorher: Als das Geld noch unter dem Name des Ehemannes angelegt war, waren sich die Eheleute einig, dass es sich um gemeinschaftliches Vermögen handelt. Der Fall ist nach der in der Revision vertretenen Rechtsauffassung daher nicht anders zu beurteilen, als wenn ein gemeinschaftliches Konto eingerichtet worden wäre.
Streitig ist, in welcher Höhe die Ehefrau schon vor dem Übertragungsvorgang an dem (damals alleine auf den Namen des Ehemannes laufenden) Konto wirtschaftlich berechtigt war bzw. welche Anforderungen an den Nachweis zu stellen sind.
In dem Fall konnten durch die Kläger konkrete Gründe angegeben werden, weshalb das Konto auf den Namen der Ehefrau lief. Diese hat auf das ursprüngliche Konto (welches noch unter dem Namen des Ehemannes lief) erhebliche eigene Vermögenswerte eingebracht.
Bei der Sichtweise des Finanzamts würde unterstellt, dass die Ehefrau zunächst ihre gesamten Ersparnisse dem Ehemann „schenken“ wollte, um diese dann später „zurückgeschenkt“ zu bekommen.
Viel plausibler ist es, anzunehmen, dass es sich vor der Vermögensübertragung um Ersparnisse beider Eheleute handelt, die dementsprechend auch beiden Eheleuten zu gleichen Teilen zustanden. Dies ist lebensnah und steht im Einklang mit der familienrechtlichen Grundidee der Zugewinngemeinschaft. Die Tatsache, dass die gesamten Ersparnisse dann letztlich alleine auf die Frau übertragen wurden beruhte hingegen auf sehr persönlichen Motive, die sich nicht verallgemeinern lassen.
Ein wesentliches Argument in der durch Rechtsanwalt Dr. Tobias Rudolph angefertigten Revisionsbegründung ist, dass die Sichtweise des Finanzamts von der offensichtlich gewollten Zivilrechtslage abweicht. Käme es (hypothetisch) vor der Übertragung beispielsweise zu einer Scheidung mit anschließender vermögensrechtlicher Auseinandersetzung, so bestünde kein Zweifel daran, dass ein Familiengericht der Ehefrau schon damals diejenigen Vermögensbestandteile zugesprochen hätte, die sie selbst in den letzten 30 Jahren während der Ehe im Ausland angelegt hatte.
Das Finanzamt legt unzumutbar hohe Hürden für den Nachweis des tatsächlich gewollten Sachverhalts an. Es ist nicht zeitgemäß, zu behaupten, dass Geld, das während einer über Jahrzehnte hinweg intakten Ehe gemeinschaftlich erwirtschaftet wird, alleine dem Ehemann zustehen soll
7) Fall „Selbstanzeige“
Der zweite Fall geht auf eine steuerliche Selbstanzeige von zwei Eheleuten zurück. Diese wurde als wirksam anerkannt und hatte strafbefreiende Wirkung. Dennoch blieb die Rechtsfrage umstritten, ob gemäß § 235 Abgabenordnung (AO) Hinterziehungszinsen für Schenkungssteuer festgesetzt werden durften. Dies setzt eine vorsätzliche Steuerhinterziehung voraus – und zwar in dem konkreten Fall nicht nur hinsichtlich der Einkommenssteuer (insoweit war der Fall unstreitig), sondern auch hinsichtlich der (umstrittenen) Schenkungssteuer.
Hintergrund war, dass durch die Ehefrau ihrer Stieftochter, d.h. der Tochter ihres Ehemannes aus einer früheren Ehe, in den 90ziger Jahren ein Konto in der Schweiz übertragen worden war. Der Stiefmutter war später für dieses Konto eine Vollmacht eingeräumt worden. Viele Jahre später wurde das Geld vollständig zurück auf die Stiefmutter übertragen.
Zwischen allen Beteiligten war es stets als selbstverständlich angesehen worden, dass die vorübergehende Kontoübertragung auf die Stieftochter lediglich einen treuhänderischen Charakter hatte, d.h. dass diese das Geld erst nach dem Tod der Stiefmutter abheben durfte. Tatsächlich hatte auch nur die Stiefmutter während des gesamten Zeitraums alleine den Kontakt mit der Bank gehalten und eigenmächtig über das Konto verfügt. Die Stieftochter hingegen hatte niemals persönlichen Kontakt mit der Bank und auch keinerlei eigene Verfügungen auf dem Konto vorgenommen. Insbesondere hatte die Stieftochter auch während des Zeitraums, in dem sie formal alleinige Kontoinhaberin war, kein Geld von dem Auslandskonto abgehoben.
Trotz des tatsächlich gelebten und übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalts sah das Finanzamt in beiden Übertragungsvorgängen jeweils schenkungssteuerpflichtige Vorgänge. Dies wurde durch das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 15.04.2015 mit dem Aktenzeichen 4 K 1403/12 bestätigt.
In der Revision, die beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen II R 42/14 anhängig ist, wird durch den Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. Tobias Rudolph vertreten, dass zumindest kein Schenkungssteuer-Hinterziehungsvorsatz, der eine Voraussetzung für die Verhängung von Hinterziehungszinsen nach § 235 AO ist, nachgewiesen werden kann.
Im Übrigen erscheint es unter den gegebenen Bedingungen auch lebensfern, zu behaupten, dass das Geld zwischen der Stiefmutter und der Stieftochter „hin und her“ geschenkt worden sein soll. Auch in dieser Konstellation ist nach der Auffassung der Revision dem streng formalistischen Ansatz der Finanzbehörden eine Absage zu erteilen. Vielmehr reicht es nach Auffassung von Rechtsanwalt Dr. Tobias Rudolph für den Nachweis eines gewollten Treuhandverhältnisses aus, wenn der Lebenssachverhalt von allen Beteiligten übereinstimmend vorgetragen wird, tatsächlich gelebt wurde und nach der Lebenserfahrung auch plausibel ist.
Durch die Neufassung der Selbstanzeige ist es schwieriger geworden, steuerliche Korrekturen in Unternehmern durchzuführen. Drohende strafrechtliche Risiken geben Anlass zu einem Erfahrungsaustausch im Steuerstrafrecht. Rechtsanwalt Dr. Tobias Rudolph informierte Anwalts-Kollegen, Unternehmer und Steuerberater über neue Probleme und Fallstricke, die durch die Reform des Selbstanzeigerechts entstanden sind.
Neufassung Selbstanzeige 2015
Im Juli 2015 hat Rechtsanwalt Dr. Tobias Rudolph in den Räumen der Nürnberger Kanzlei für Steuerstrafrecht im Rahmen einer Informationsveranstaltung für Anwälte, Steuerberater und Unternehmer über das Thema „Steuerliche Korrekturen in Unternehmen“ referiert. Die Selbstanzeige in der Neufassung des § 371 der Abgabenordnung (AO) betrifft einen Kernbereich des Steuerstrafrechts. Diese Schnittpunktmaterie zwischen Steuer- und Strafrecht ist für den praktischen Erfahrungsaustausch zwischen Steuerberatern und Rechtsanwälten prädestiniert. Während der Rechtsanwalt regelmäßig erst ins Spiel kommt, wenn das „Kind bereits in den Brunnen gefallen“ ist, ist der Steuerberater daran interessiert, strafrechtliche Risiken zu erkennen und zu vermeiden.
Das Hauptaugenmerk der Fortbildung für steuerberatende Berufe lag darin, die aktuelle juristische Diskussion über die Neufassung der Selbstanzeige im Januar 2015 für Steuerberater zugänglich zu machen. Insbesondere wurden neue Haftungsrisiken und Fehlerquellen für die Berufsträger aufgezeigt.
Fälle und Lösungen zu steuerlichen Korrekturen in Unternehmen
Den Rahmen der Veranstaltung bildete ein Gerüst von mehreren Fällen, das typische Beratungsfelder von Steuerberatern abdeckt. Es wurden Praxis-Fälle zur Neufassung der steuerlichen Selbstanzeige 2015 besprochen. Die schriftlichen Lösungs-Skizzen zu den Fällen, in welchen die Haftungsrisiken und Fallstricke der steuerlichen Korrekturerklärungen erörtert werden, sind hier als Pdf-Dokumente abrufbar.
Neben den Ausnahmen vom Vollständigkeitsgebot bei Umsatzsteuervoranmeldungen wurden insbesondere Details bei der Korrektur von Umsatzsteuererklärungen aufgezeigt. Während die Neufassung der strafbefreienden Selbstanzeige seit 2015 einige Erleichterungen für Unternehmen brachte, tun sich auch neue Fallstricke auf.
Erfahrungsaustausch von Rechtsanwälten und Steuerberatern
Nicht zuletzt diente das Treffen dem Erfahrungsaustausch von Rechtsanwälten und Steuerberatern zum Steuerstrafrecht. Die Beleuchtung der Thematik aus verschiedenen Perspektiven heraus empfanden alle Teilnehmer als sehr fruchtbar.
Bereits seit einigen Jahren durchläuft Deutschland eine Niedrigzinsphase. So ist es nicht sonderlich verwunderlich, dass Anleger nach attraktiveren Anlageformen suchen, als sie üblicherweise von ihrer Bank angeboten bekommen. Viele Anleger fallen, von hohen Renditeversprechen verlockt, auf Betrüger herein – und haben dadurch in der Regel gleich einen mehrfachen Schaden. Die Opfer von Schneeballsystemen verlieren nämlich meist nicht nur das eingesetzte Kapital. Sie sehen sich außerdem noch Steueransprüchen ausgesetzt. Zu allem Überfluss kommt noch das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung dazu, wenn man seiner Pflicht, die ausgewiesenen Renditen dem Finanzamt zu melden, nicht nachkommt.
Was ist ein Schneeballsystem?
Der Initiator des Kapitalanlagebetruges lockt Anleger mit hohen Renditeversprechungen. Die Rendite wird jedoch nicht tatsächlich am Kapitalmarkt erwirtschaftet, die ausgewiesenen Gewinne werden nur zum Schein ausgewiesen. Die Gewinnausschüttungen stammen aus den Einzahlungen neuer Anleger. Um weiter Gewinne ausschütten zu können, muss das System folglich immer neue Anleger finden, die Einzahlungen leisten. Es liegt auf der Hand, dass das ganze System nur eine Zeit lang funktionieren kann. Sobald sich keine neuen Anleger finden, fällt das ganze Gebilde wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Profitieren können von dieser Anlegeform lediglich die Initiatoren und allenfalls die ersten Teilnehmer, die sich ihre Taschen füllen konnten, solange noch weitere neue Anleger gefunden werden konnten. Für die meisten Investoren hat die Teilnahme am Schneeballsystem zur Folge, dass sie nicht nur auf die versprochene hohe Rendite verzichten müssen, sondern vor allem auch, dass das eingesetzte Kapital weg ist. Schließlich wurde es an die vorherigen Anleger ausgezahlt oder von den Hintermännern beiseite geschafft.
Das Initiieren und Betreiben eines Schneeballsystems stellt fraglos einen Betrug dar. Die tatsächlich Verantwortlichen werden nur selten zur Verantwortung gezogen. Aber selbst, wenn man den Chef-Betrüger erwischt hat, hilft das den Betrogenen in der Sache nicht weiter. Prominenter Fall aus der Region Nordbayern ist der Fall es Jens Blaume mit seiner Anlagefirma Concept 1, auf die rund 700 Anleger hereingefallen sind. Insbesondere wurde den Anlegern vorgegaukelt, durch besondere Kontakte Zugriff auf sehr günstige Mitarbeiteraktien zu haben. Die Mitarbeiteraktien gab es aber nur auf dem Papier. Der Anlageberater, der seine Kunden um etwa 56 Mio. Euro geprellt hatte, wurde mittlerweile zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Für die Anleger ist das jedoch nur ein schwacher Trost. Es liegt auf der Hand, dass der Täter den verursachten Schaden nicht ausgleichen kann. Ein in der JVA arbeitender Inhaftierter verdient weniger als 15 Euro – am Tag. Das eingesetzte Kapital der Anleger ist im Zweifel endgültig weg.
Gegen die Verantwortlichen der Firma Concept 1 wurde zwar inzwischen ein Insolvenzverfahren eröffnet. Auch wenn die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche gegen die Initiatoren des betrügerischen Systems von der insolvenzrechtlichen Restschuldbefreiung ausgenommen sein dürften, ist im Zweifel nicht damit zu rechnen, dass sie jemals realisiert werden können.
Doppelter Schaden: Steuerpflicht
Zu dem Schock des verlorenen Kapitals kommt bei dem geprellten Anlegern noch ein zweiter Schock hinzu: Der Fiskus hält die Hand auf. Die – tatsächlich nie existenten – Scheingewinne sind nämlich in der Regel zu versteuern. Zu allem Überfluss kann der betrogene Anleger noch nicht einmal den Verlust des eingesetzten Kapitals steuerlich geltend machen.
Diese auf den ersten Blick bizarre Situation rührt aus einer grundsätzlichen Entscheidung des deutschen Steuerrechts her: Vermögen und Erträge sind strikt voneinander getrennt.
Die (Schein-) Gewinne von Schneeballsystemen führen zu Einkünften aus Kapitalvermögen. Diese Kapitalerträge sind dann zu versteuern, wenn sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Dieser in § 11 EStG geregelte Grundsatz gilt für alle Einkünfte, die der Einkommenssteuer unterliegen. Der Steuerpflichtige wird mit dem Einwand nicht durchdringen, die Gewinne gar nicht real gehabt zu haben. Es gibt dazu eine mittlerweile gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung. Der Bundesfinanzhof (BFH), das oberste deutsche Steuergericht hat entschieden (vgl. Urteil vom 11.02.2014, Az. VIII R 25/12), dass Gutschriften aus Schneeballsystemen dann zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen, wenn der Initiator des Systems dem Anleger die zur Auszahlung gutgeschriebenen Beträge auf dessen Verlangen hin ausgezahlt hätte.
Mit anderen Worten: Der Schneeballsystembetreiber hätte leistungsbereit und leistungsfähig gewesen sein müssen. An die Leistungsfähigkeit werden dabei keine allzu großen Anforderungen gestellt. Der Einwand, wenn alle Anleger ihren Gewinn hätten ausgeschüttet haben wollen, hätte zum Zusammenbruch des Systems geführt, wird nicht anerkannt – mit dieser Annahme wäre schließlich auch jede Bank nicht mehr fähig, die Ansprüche ihrer Kunden zu bedienen.
Mögliches Argumentationspotenzial gibt die BFH-Rechtsprechung lediglich hinsichtlich der Leistungsbereitschaft. Die Leistungsbereitschaft fehlt, wenn der Betreiber der dubiosen Anlageform auf einen Auszahlungswunsch des Anlegers hin die sofortige Auszahlung ablehnt und ihn stattdessen versucht, auf anderweitige Zahlungsmodalitäten umzustimmen. Es reicht jedoch nicht, wenn der Schneeballsystembetreiber dem Anleger lediglich nahelegt, das Geld erneut anzulegen. Er muss zumindest versuchen, den Anleger hinzuhalten und mit ihm konkret über die Neuanlage verhandeln. Ob die Leistungsbereitschaft gegeben ist, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Wenn es gelingt, die Finanzbehörden von der fehlenden Leistungsbereitschaft des Betrügers zu überzeugen, wird kein Zufluss der behaupteten Kapitalgewinne mehr angenommen. Zu dem Verlust des Kapitals kommt keine zusätzliche Steuerschuld hinzu.
Besonders unerfreulich aus Anlegersicht ist, dass auf den Depotauszügen in aller Regel die Abführung der Abgeltungssteuer ausgewiesen ist. Der Anleger ist also davon ausgegangen, dass steuerlich alles seine Richtigkeit hat. Die Abgeltungssteuer ist aber nur eine besondere Form der Erhebung der Kapitalertragsteuer. Diese Steuer wird pauschal direkt an der Quelle der Einkünfte erhoben. Die pauschale Versteuerung hat aber nur Auswirkungen auf die Art der Steuererhebung, nicht auf die Person des Steuerschuldners – das bleibt nach wie vor der Anleger. Die Abgeltungssteuer ist aber genauso wenig abgeführt worden, wie die ausgewiesenen Gewinne tatsächlich erwirtschaftet worden sind – die Mitteilungen auf den Depotauszügen waren schlicht und ergreifend falsch.
Anlageformen von Concept 1
Die steuerrechtliche Bewertung der betrügerischen Anlageformen ist im Einzelnen schwierig, da die Systeme darauf ausgelegt waren, möglichst kompliziert zu wirken. So konnten allein bei den Concept 1-Fällen fünf verschiedene Anlageformen festgestellt werden.
Neben Beteiligungsverträgen, bei denen die Anlagesumme für eine bestimmte Zeit zu einem fixen Zinssatz, meist 4 % p.a., eingesetzt wurde, gab es ähnlich gestaltete Anlageverträge mit einem etwas höheren Zinssatz (6 % p.a.), die sich vor allem unter dem Aspekt der Zweckbestimmung der Mittelverwendung unterscheiden. Unternehmensbeteiligungsverträge entsprechen den Beteiligungsverträgen, versprechen aber deutlich höhere Zinsen; der versprochene Jahreszinsertrag ist mitunter sogar zweistellig. Angeboten wurde auch eine untypische Art der stillen Beteiligung, die als Vertrag über Unternehmensbeteiligung bezeichnet wurde: wie bei der klassischen stillen Einlage entspricht die Anlagesumme der Einlage, anders als dort wird eine Verlustbeteiligung aber ausgeschlossen.
Den arglosen Anlegern wurde in einem anderen „Anlagen-Konzept“ außerdem vorgegaukelt, Zugriff auf Mitarbeiteraktien zu haben. Mitarbeiteraktien werden den Betriebsangehörigen – häufig von DAX-Unternehmen – zu besonders günstigen Konditionen, also zu einem Preis deutlich unter dem aktuellen Börsenkurs, angeboten. Die Anlagebetrüger versprechen unter Zusicherung einer Rendite von ca. 20 % p.a., solche Aktien von Mitarbeitern der Aktiengesellschaften kaufen zu können.
Bei den Dividenden bzw. Schein-Zinsen der Anlage- und Beteiligungsverträge ist nach den oben geschilderten Maßstäben des BFH wohl grundsätzlich von einer Steuerpflicht auszugehen. Verteidigungspotential kann es hier vor allem im Hinblick auf die Leistungsbereitschaft geben, was in jedem Fall einzeln geprüft werden sollte.
Bessere Chancen, sich gegen die Steuerpflicht zur Wehr zu setzen, bestehen wohl beim Mitarbeiter-Aktien-Modell: Selbst unter Zugrundelegung der BFH-Rechtsprechung ist hier vermutlich nicht von einem wirtschaftlichen Zufluss der „Schein-Gewinne auszugehen, so dass auch keine Steuer anfällt – auch wenn diese zwar ausgewiesen, aber nicht abgeführt wurde. Die zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Streitfragen wurden jedoch noch nicht entschieden.
Zusammenfassend kann zur steuerrechtlichen Beurteilung der verschiedenen Anlageformen festgehalten werden: Trotz der anlegerunfreundlichen BFH-Rechtsprechung ist vieles ungeklärt und überprüfungswürdig. Der Teufel steckt, wie so oft, im Detail.
Dreifacher Schaden: Steuerstrafverfahren
Wenn sich herausstellt, dass geschuldete Steuern nicht abgeführt worden sind, lauert eine weitere Gefahr für den Anleger: Ein Steuerstrafverfahren. Zwar wird man dem Anleger für die Vergangenheit in der Regel keine vorsätzliche Steuerhinterziehung unterstellen können. Schließlich ist er davon ausgegangen, dass alles seine Richtigkeit hat. Sobald er aber davon Kenntnis hat, dass die von ihm geschuldeten Steuern nicht abgeführt worden sind, trifft ihn eine Mitwirkungspflicht nach § 153 AO.
In § 153 AO ist geregelt, dass jemand, der im Nachhinein erfährt, dass er für die Vergangenheit eventuell steuerpflichtig war, verpflichtet ist, dies dem Finanzamt mitzuteilen und dadurch zu ermöglichen, den steuerlichen Sachverhalt im Nachhinein zu korrigieren. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, so droht ihm der Vorwurf einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen – selbst dann, wenn er bisher gutgläubig war.
Wenn ein geschädigter Anleger erfährt, dass die Abführung der Abgeltungssteuer in einem Schneeball-System nur auf dem Papier behauptet wurde, sollte er sich daher umgehend anwaltlich bzw. steuerlich beraten lassen, ob und was genau er dem Finanzamt mitteilen muss. Sofern kein Vorsatz vorlag – wovon bei den geprellten Anlegern aber auszugehen ist – sind die formalen Voraussetzungen einer Erklärung nach § 153 AO deutlich weniger streng als die einer strafbefreienden Selbstanzeige.
Fazit
Da es bei der Beurteilung der Schneeballsysteme auf die konkrete Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen und Abwicklungsmodalitäten ankommt, ist jeder geprellte Anleger gut beraten, sich sachkundige Expertise einzuholen. Zunächst einmal ist in tatsächlicher Hinsicht zu klären, welche Vertragsgestaltungen tatsächlich zur Anwendung kamen. Bei einer potenziellen Steuerpflicht ist gegebenenfalls das Finanzamt zu informieren. Denn nur dadurch vermeidet man das Risiko, sich dem Vorwurf der Steuerhinterziehung durch Unterlassen der Mitteilung auszusetzen.
In keinem Fall sollte man sich jedoch vorschnell der Rechtsauffassung des Finanzamts unterwerfen. Da viele Details im Detail noch ungeklärt sind, lohnt sich häufig auch eine genauere rechtliche Überprüfung durch einen Einspruch oder eine Klage zum Finanzgericht.
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