1. Ist eine Güterstandsschaukel eine strafbare Steuerhinterziehung?

Als „Güterstands-Schaukel“ wird eine steuerliche Gestaltung bezeichnet, die es vermögenden Eheleuten ermöglicht, von einem Partner auf den anderen Geld zu übertragen – ohne dass dabei Schenkungssteuer anfällt. Im Juli 2018, berichtete die Süddeutsche Zeitung über eine sogenannte Güterstandsschaukel im Zusammenhang mit dem Strafverfahren gegen den ehemaligen VW-Vorstand Martin Winterkorn. Bereits im Mai 2018 hatte das FG Hessen – soweit ersichtlich als bisher erstes Gericht – im Zusammenhang mit einer Güterstandsschaukel über Hinterziehungszinsen zu entscheiden.

Es ist nicht das erste Mal, dass auf der Schnittstelle zwischen Steuerrecht, über die sich bisher nur Experten für Steuerstrafecht Gedanken gemacht haben, durch einen prominenten Fall in den Fokus des öffentlichen Interesses rücken. Es wäre auch nicht das erste Mal, dass Steuerspar-Modelle, die von Steuerrechtlern als „100 % sicher“ angepriesen wurden, bei näherem Hinsehen einer strafrechtlichen Überprüfung nicht oder zumindest nur zum Teil Stand halten.

Güterstandsschaukel Steuerhinterziehung

2. Die Güterstandsschaukel in der öffentlichen Berichterstattung

In dem Strafverfahren gegen Martin Winterkorn geht es eigentlich um manipulierte Abgaswerte – und nicht um Steuerhinterziehung. Im Zuge der Ermittlungen interessierten sich die strafrechtlichen Ermittler jedoch auch für die persönlichen Vermögensverhältnisse des ehemaligen Topmanagers.

Die Staatsanwaltschaft soll nach dem Bericht der Süddeutschen Zeitung sieben Aktenbände mit Unterlagen über private Geldflüsse und Vermögensverhältnisse des früheren VW Vorstandsvorsitzenden beschlagnahmt haben. Diese Unterlagen sollen an verschiedene Anwälte und Verteidiger der Mitbeschuldigten verschickt worden sein. Die höchstpersönlichen Informationen sollen auch auf unbekanntem Wege an die BILD-Zeitung gelangt sein, die daraus eine „Steueraffäre“ machte. Laut dem Bericht der Süddeutschen Zeitung geht die Staatsanwaltschaft Braunschweig dem Verdacht nach, ob eine Hinterziehung von Schenkungssteuer vorlag.

Der Strafverteidiger des ehemaligen Managers prüft eine Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen. Durch die Weitergabe der Akten besteht jedenfalls der Verdacht, dass das Steuergeheimnis verletzt worden sein soll. Kommt es zu einem Schuldspruch des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG, so drohen ihm empfindliche Nebenfolgen einer strafrechtlichen Verurteilung. Insbesondere dürfte der Volkswagenkonzern ein Interesse (und höchstwahrscheinlich auch eine rechtliche Pflicht) haben, einen Teil des zivilrechtlichen Schadens in Milliardenhöhe von den dafür verantwortlichen Mitarbeitern erstattet zu bekommen. Ein solches Szenario würde höchstwahrscheinlich die Insolvenz des Beschuldigten bedeuten, der dann auf familiäre Unterstützung angewiesen sein wird. Bei einem Mann, von dem gesagt wird, er sei sein Leben lang ein „Kontrollfreak“ gewesen, wird man annehmen können, dass er sich frühzeitig Gedanken darüber gemacht hat, welche Möglichkeiten bestehen, privates Vermögen vor dem Zugriff der Gläubiger in Sicherheit zu bringen.

3. Familienrecht und Schenkungssteuer bei der Güterstandschaukel

Zwischen Ehegatten ist es an sich nichts Ungewöhnliches, wenn der eine dem anderen ein größeres Geschenk macht. Solange der Wert derartiger Zuwendungen (innerhalb von zehn Jahren) den Gesamtbetrag von 500.000 € (= steuerlicher Freibetrag bei Eheleuten) nicht überschreitet, interessiert sich das Finanzamt auch nicht dafür. Kommt es zu einer Beendigung der Zugewinngemeinschaft – typischerweise durch Scheidung – werden Geschenke, bei denen es sich nicht um bloße Gelegenheitsgeschenke handelt, auf die sogenannte familienrechtliche Ausgleichsforderung angerechnet. Mit anderen Worten: Ist der Mann während der Ehe um eine Millionen € reicher geworden, als die Frau, dann schuldet er ihr im Normalfall bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft 500.000 € an Zugewinn. Hat er ihr während der Ehe jedoch bereits 200.000 € geschenkt, so reduziert sich dieser Betrag auf 300.000 €.

In den allermeisten Fällen werden Zugewinngemeinschaften bei einer Scheidung aufgelöst. Es ist familienrechtlich jedoch auch möglich, den Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch einen Vertrag aufzuheben, d.h. auch dann, wenn die Ehe noch besteht und keine Scheidung gewollt ist.

Die Zugewinns-Ausgleichsforderung gehört gemäß § 5 Abs. 2 ErbStG nicht zum schenkungssteuerpflichtigen Erwerb. Das bedeutet, dass bei einer vertraglich vereinbarten Auflösung der Zugewinngemeinschaft das übertragene Vermögen ganz aus der Schenkungssteuer ausgenommen werden kann. Wird in einem solchen Fall zwischen den Ehegatten u.a. auch vereinbart, dass Vorausempfänge auf die familienrechtliche Ausgleichsforderung anzurechnen sind – wie es dem gesetzlichen Normalfall entspricht –, bestimmt § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, dass die an sich bereits in der Vergangenheit fällig gewordene Schenkungssteuer mit Wirkung für die Vergangenheit wieder entfällt.

Die Vorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ist die Inspirationsquelle für Rechtsanwälte und Steuerberater, die sich Gedanken darüber gemacht haben, ob es steuerliche Gestaltungen gibt, bei denen größere Geldbeträge von einem Ehepartner auf den anderen übertragen werden können, ohne dass der Fiskus daran mitverdient. Das funktioniert so:

Der Mann überträgt eine Millionen € auf die Ehefrau. Im Anschluss daran vereinbaren beide Eheleute, die zuvor im gesetzlichen Güterstandstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben, eine Gütertrennung. Da die zivilrechtliche Gestaltungsfreiheit es unter anderem auch erlaubt, einzelne Vermögensgegenstände bei der Berechnung des Zugewinns auszuklammern, ist es durch geschickte Vertragsgestaltungen möglich, die Schenkungssteuer faktisch ganz zu umgehen. Von einer „Schaukel“ spricht man in diesem Zusammenhang deshalb, da es bei intakten Ehen nicht selten vorkommt, dass die Partner nach der Neuverteilung des Vermögens zurück in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft wechseln.

Das Steuerrecht folgt grundsätzlich dem Zivilrecht. Aus diesem Grunde wird in der steuerlichen Literatur die Güterstandsschaukel grundsätzlich als zulässiges Gestaltungsmodell anerkannt, sofern damit nicht offensichtlich missbräuchliche Zwecke verfolgt werden.

4. Ist die Güterstandsschaukel eine strafbare Steuerhinterziehung?

Angesichts der großen Beliebtheit der Güterstandsschaukel stellt sich die Frage, ob diese auch dazu geeignet ist, steuerliche Sünden aus der Vergangenheit wieder zu heilen. Anders ausgedrückt: Entfällt eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung rückwirkend mit dem Wegfall der Steuerschuld?

Auf den ersten Blick erscheint die Antwort klar: Eine Strafbarkeit gemäß § 370 AO setzt eine verkürzte Steuer voraus. Das Strafrecht folgt also dem Steuerrecht. Auf den zweiten Blick stellt sich indes ein Problem. Bei der Vorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG handelt es sich nämlich nur um eine steuerrechtliche Fiktion mit Rückwirkung. Mit anderen Worten: Durch die erstmalige Übertragung des Vermögens entsteht der staatliche Steueranspruch zunächst einmal in voller Höhe (soweit die steuerlichen Freibeträge überschritten wurden). Mit der Entstehung des Steueranspruchs entsteht jedoch grundsätzlich zugleich auch die Pflicht, die steuerrechtlich relevanten Tatsachen dem Finanzamt mitzuteilen. Geschieht dies nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fristen (in der Regel innerhalb von drei Monaten), so ist der Tatbestand der Steuerhinterziehung schon aufgrund der Fristversäumnis erfüllt. Ab diesem Zeitpunkt entsteht auch ein „staatlicher Strafanspruch“. Von einem staatlichen Strafanspruch spricht man, wenn eine Straftat verwirklicht wurde und der Staat die rechtliche Legitimation (und grundsätzlich auch die Pflicht!) hat, eine Strafe gegen einen seiner Bürger zu verhängen.

29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG sagt nun aber nichts darüber aus, was mit der Straftat „Steuerhinterziehung“ passiert, wenn die Steuer rückwirkend entfällt. Nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen ist jedenfalls auszuschließen, dass stets auch rückwirkend keine Strafbarkeit mehr vorliegt. Denn der staatliche Strafanspruch steht nicht zur Disposition der Beteiligten. Ein Diebstahl bleibt ein Diebstahl – auch dann, wenn sich das Opfer im Nachhinein dazu entschließt, dem Dieb die Beute zu „schenken“. Genauso bleibt eine Steuerhinterziehung eine Steuerhinterziehung – auch dann, wenn das Finanzamt rückwirkend auf die Schenkungssteuer gewissermaßen „verzichtet“. Von diesen Grundsätzen gibt es nur wenige Ausnahmen im Strafrecht, beispielsweise den Rücktritt vom Versuch (§ 24 StGB) oder – im Fall einer Steuerhinterziehung – eine strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 AO). Diese Normen führen jedoch nicht dazu, dass die Straftat rückwirkend entfällt. Es handelt sich lediglich um individuelle Umstände, die dazu führen, dass von der Vollstreckung des staatlichen Strafanspruchs abgesehen wird (sog. persönliche Strafausschließungsgründe). An diesen strafrechtlichen Grundsätzen ändert der „Verzicht“ auf die Steuern, der sich faktisch aus § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ergibt, nichts. Hätte der Gesetzgeber durch ein einfaches Steuergesetz die gesamte Strafrechtsdogmatik aus den Angeln heben wollen, hätte er dies an prominenterer Stelle zum Ausdruck gebracht.

Dies bedeutet indes nicht, dass jede Güterstandsschaukel stets auch eine Steuerhinterziehung ist. Es ist vielmehr zu differenzieren:

  • Keine Steuerhinterziehung dürfte vorliegen, wenn der zeitliche Abstand zwischen Vermögensübertragung und Beendigung des Güterstandes so kurz ist, dass die Grenze zur Strafbarkeit noch nicht überschritten wurde. Dies ist regelmäßig bei entsprechenden Vereinbarungen der Fall, die innerhalb von drei Monaten nach der Vermögensübertragung (bzw. dem Überschreiten der Freibeträge innerhalb des 10-Jahres-Zeitraums) wirksam werden (die Fristen zur Anzeige des Erwerbs sind in § 30 ErbStG geregelt). Denn wenn der Steueranspruch rechtzeitig beseitigt wird, bevor es überhaupt zu einer Straftat kommt, gilt der Satz: Wo keine Steuer, da keine Steuerstraftat.
  • Eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung ist indes anzunehmen, wenn die 3-Monats-Frist zur Anzeige der Schenkung beim Finanzamt überschritten wurde. Hier liegt mindestens eine versuchte, wenn nicht sogar schon eine vollendete Steuerhinterziehung vor. Wenn also die Schenkung länger zurück liegt, gilt die Regel: Eine einmal eingetretene Strafbarkeit kann grundsätzlich nicht mehr beseitigt werden, außer es liegt eine wirksame Selbstanzeige vor (bzw. ein Rücktritt vom Versuch, der im Steuerstrafrecht häufig übersehen wird).

5. Güterstandsschaukel und Selbstanzeige

Bei der „Reparatur“ schenkungssteuerpflichtiger Vorgänge(vgl. dazu etwa Blusz: Reparatur unentgeltlicher Zuwendungen unter Ehegatten, ZEV 2016, S. 626 ff.), bei denen bereits die Schwelle zur Strafbarkeit überschritten wurde, sind die Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 AO zu beachten. Liegen diese nicht vor, kommt es zur Strafe – selbst dann, wenn im Ergebnis keine Steuer festgesetzt wird.

In der Praxis scheinen diese Zusammenhänge nicht immer angekommen zu sein. Der Hintergrund dafür dürfte darin liegen, dass die Steuervorteile, die man sich von der Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG verspricht, kaum zu vereinbaren sind mit den Anforderungen, die das Gesetz seit der Neufassung im Jahr 2015 an die Wirksamkeit einer strafbefreienden steuerlichen Selbstanzeige stellt. Es besteht wohl die (begründete) Sorge, dass das Finanzamt im Fall einer steuerlichen Meldung die Steuervorteile der Güterstandsschaukel doch nicht anerkennt.

Für die Wirksamkeit einer Selbstanzeige ist es nämlich erforderlich, dass sämtliche Steuerschulden bezahlt werden. Man kann nun einerseits argumentieren, dass dann, wenn die Steuerschuld rückwirkend fällt, auch im Fall einer Selbstanzeige keine Steuern bezahlt werden müssen. Umgekehrt ließe sich jedoch auch sagen, dass das „Steuergeschenk“ des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG zumindest demjenigen versagt wird, der den Sachverhalt nicht rechtzeitig gegenüber den Finanzbehörden offengelegt hat.

Darüber hinaus ist es für die Wirksamkeit einer Selbstanzeige u.a. konstitutiv, dass die Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO (bzw. Zinsen nach § 233a AO, soweit diese gemäß § 235 Abs. 4 AO angerechnet werden) innerhalb einer vom Finanzamt zu setzenden Frist bezahlt werden. Es ließe sich zwar argumentieren, dass Zinsen jedenfalls dann nicht anfallen, wenn wegen der rückwirkenden Folgen des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG schon gar keine Steuern anfallen. Das Finanzgericht Hessen hat in Bezug auf die Zinsen einer solchen Auffassung indes kürzlich eine Absage erteilt (vgl. Urteil vom 07.05.2018, Az.: 10 K 477/17; noch nicht rechtskräftig, die Revision wurde zugelassen).

Ähnliche Probleme stellen sich im Hinblick auf § 398a Abs. 1 Nr. 1 AO. Danach sind ab einer bestimmten Größenordnung der Hinterziehung für die Wirksamkeit einer Selbstanzeige zusätzlich zu den Steuern und den Zinsen „Strafzahlungen“ zu leisten. Auch diese lassen sich jedenfalls mit dem Ziel einer Güterstandsschaukel, nämlich die kostenfreie Vermögensübertragung zwischen Ehegatten, nur bedingt vereinbaren.

Die Liste der ungeklärten Rechtsfragen ließe sich fortsetzen. Jedenfalls lässt sich konstatieren, dass § 371 AO, d.h. die zentrale Vorschrift über die Selbstanzeige, in der aktuellen Fassung offensichtlich auf ganz andere Sachverhalte zugeschnitten ist.

6. Fazit

Es ist zu erwarten, dass das Thema „Güterstandsschaukel und Steuerhinterziehung“ durch die aktuelle Berichterstattung und die Entscheidung des FG Hessen in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerät und Steuerfahnder auf den Plan ruft. Eheleute, die in der Vergangenheit entsprechende Gestaltungen vorgenommen haben, sind daher gut beraten, sich noch einmal Gedanken darüber zu machen, ob bereits eine Straftat vorlag und ob nachträglich noch eine strafbefreiende Selbstanzeige Sinn macht. Dies sollte angesichts der vielen Fallstricke und Risiken, die eine steuerliche Selbstanzeige mit sich bringt, keinesfalls ohne professionelle anwaltliche Beratung durch einen Spezialisten im Steuerstrafrecht erfolgen.