Strafrecht: Wann droht bei Corona-Soforthilfen ein Strafverfahren wegen Subventionsbetrugs?

Die Voraussetzungen für Corona-Soforthilfen sind deutlich strenger, als die Erklärungen von Politikern auf den ersten Blick vermuten lassen. Bei der Beantragung droht ein Strafverfahren wegen Subventionsbetrugs (§ 264 StGB) und falscher Versicherung an Eides statt (§ 156 StGB). Auch steuerliche Auswirkungen sind zu berücksichtigen.

Corona Subventionsbetrug

Politische Reaktion auf COVID-19-Ausnahmesituation

Ausmaß und Tragweite der Corona-Pandemie sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht im Ansatz abschätzbar. Jeder Lebensbereich ist betroffen. In Telefonaten mit Mandanten und Steuerberatern werden in diesen Tagen in einer Rechtsanwaltskanzlei immer wieder die politischen Maßnahmen thematisiert, die ergriffen worden sind, um die wirtschaftlichen Schäden der Corona-Krise zumindest etwas zu mildern. Durch die notwendig gewordenen Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen gibt es kaum einen geschäftlichen Bereich, der derzeit nicht durch starke Umsatzeinbrüche oder gar -ausfälle betroffen ist. In Folge dessen ist die wirtschaftliche Existenzgrundlage vieler Selbstständiger unmittelbar gefährdet. Mittelbar wird damit auch die wirtschaftliche Existenz der angestellten Mitarbeiter bedroht.

Politiker auf allen Ebenen sichern in diesen Tagen unbürokratische Soforthilfen zu und stellen entsprechende Hilfspakete auf die Beine. So hat der Bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger wörtlich erklärt: „Wir unterstützen bayerische Unternehmen rasch und unbürokratisch, damit sie ihren Betrieb aufrechterhalten können und nicht in Insolvenz geraten.“

Antragstellung: Der Teufel steckt im Detail

Die Antragstellung ist tatsächlich relativ unkompliziert. Die konkreten Voraussetzungen, die zum Erhalt der Soforthilfen erfüllt werden müssen, sind allerdings deutlich strenger, als die politischen Willenserklärungen auf den ersten Blick vermuten lassen. So werden die Voraussetzungen für die Gewährung etwa der bayerischen Soforthilfe in einer gesonderten Richtlinie näher erläutert.

Voraussetzung ist zunächst, dass der Antragsteller in Folge des Ausbruchs von COVID-19 in Schwierigkeiten geraten ist. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten müssen direkt auf die Folgen der Corona-Krise zurückzuführen sein. Die Antragsteller dürfen nicht bereits vor dem 31.12.2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gesteckt haben. Vor allem aber muss die „existenzgefährdende wirtschaftliche Schieflage aufgrund massiver Liquiditätsengpässe“ bestehen, „die nicht mit Hilfe von Entschädigungsleistungen, Steuerstundungen, sonstigen Eigen- oder Fremdmitteln oder sonstigen Liquiditätsmaßnahmen ausgeglichen werden können. (Nr. 2 der Richtlinie)“

Die Grundbotschaft der konkreten Ausführungsregeln ist – anders als die oftmals vollmundigen politischen Aussagen – klar: Die Solidargemeinschaft soll erst helfen, wenn der Einzelne dazu nicht mehr in der Lage ist. Zuerst muss der Spargroschen für schwierige Zeiten aufgebraucht werden.

Der Teufel steckt im Detail. Nachdem Fremdmittel und sonstige Liquiditätsmaßnahmen vorrangig auszuschöpfen sind, ist davon auszugehen, dass etwa ein Kontokorrentrahmen zuerst vollständig ausgereizt werden muss. Wie ist aber z.B. das Umlaufvermögen, also der Warenbestand, zu berücksichtigen? Sind KfW-Darlehen vorrangig in Anspruch zu nehmen? Wie sieht es mit privaten Rücklagen aus? Was ist mit privaten Rücklagen des Ehepartners?

Zu all diesen Fragen gibt es noch keine eindeutigen Auslegungshinweise. Die Richtlinie nennt lediglich Entschädigungsleistungen nach dem Infektionsschutzgesetz und Versicherungsleistungen aus der Absicherung eines Betriebsausfalls, die vorrangig in Anspruch genommen werden müssen. Welche individuellen Versicherungsleistungen davon umfasst sind, ist bisher ebenfalls noch nicht geklärt.

Subventionsbetrug: Wer beim Antrag falsche Angaben macht, macht sich strafbar

In der gegenwärtigen Situation ist nicht damit zu rechnen, dass die Anträge detailliert überprüft werden. Dies wird sich ändern. Wenn sich die Situation beruhigt hat, steht zu befürchten, dass mit spitzer Feder nachgerechnet wird, ob alle Gelder, die in der Eile ausgezahlt wurden, wirklich nötig waren.

Falsche oder unvollständige Angaben im Antrag können zu einer Strafbarkeit wegen Subventionsbetrug nach § 264 StGB führen. Bei Beantragung der Soforthilfe wird sogar explizit auf diese Vorschrift hingewiesen. Wer etwa Liquiditätsprobleme nur vorspiegelt, läuft Gefahr, sich strafbar zu machen. Es ist dabei noch nicht einmal notwendig, vorsätzlich falsche Angaben zu machen. Auch wer bei der Antragstellung die nötige Sorgfalt vermissen lässt, setzt sich einem Strafbarkeitsrisiko aus, denn nach § 264 Abs. 5 StGB ist auch der leichtfertige Subventionsbetrug mit Strafe bedroht.

Auch nach Erhalt der Soforthilfe ist der Empfänger nach dem Wortlaut der Richtlinie verpflichtet, den Erhalt anrechenbarer Leistungen unverzüglich anzuzeigen. Auch wer diese nachträgliche Anzeigepflicht verletzt, macht sich eines Subventionsbetrugs strafbar.

Wird die Soforthilfe aufgrund unvollständiger oder falscher Angaben gewährt, ist sie zurückzuzahlen. In der Richtlinie zur bayerischen Corona-Soforthilfe ist das ausdrücklich unter Ziffer 6.5 geregelt. Die Rückzahlung einer unberechtigt erhaltenen Subvention führt allerdings nicht zu einem Entfallen der Strafbarkeit. Zwar sieht § 264 Abs. 6 StGB den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue vor – ähnlich der strafbefreienden Selbstanzeige im Steuerrecht. Allerdings greift diese Ausnahmevorschrift – anders als bei der Selbstanzeige – nur ein, wenn die unzutreffenden Angaben vor Auszahlung der Subvention korrigiert werden. Nachdem die Soforthilfen zügig ausbezahlt werden sollen, ist davon auszugehen, dass § 264 Abs. 6 StGB für die Corona-Fälle keine große Rolle spielen wird. Besonders gefährlich am Tatbestand des Subventionsbetrugs ist, dass er zu einem sehr frühen Zeitpunkt erfüllt ist, es handelt sich um ein verselbständigtes Versuchsdelikt im Vorfeld des Betrugs. Anders als beim Betrug nach § 263 StGB ist es nicht erforderlich, dass ein Schaden eintritt. Es droht z.B. sogar dann eine Strafbarkeit, wenn die unrichtigen Angaben im Antrag für die Gewährung der an sich berechtigten Subvention ohne Bedeutung sind.

Bei der Antragstellung ist eine eidesstattliche Versicherung abzugeben, dass die Angaben zutreffend sind. Bei falschen Angaben steht demnach auch eine Strafbarkeit nach § 156 StGB (falsche Versicherung an Eides statt) bzw. § 161 StGB (fahrlässige falsche Versicherung an Eides statt) im Raum. Wie auch beim Subventionsbetrug wird eine nachträgliche Rückzahlung einer unberechtigt erhaltenen Soforthilfe allenfalls auf Strafzumessungsebene eine Rolle spielen können.

Wenn die Soforthilfe im Nachhinein als Subventionsbetrug eingeordnet wird, kann sich der Staat die ausgezahlten Mittel rechtlich auch über die strafrechtliche Vermögensabschöpfung zurückholen. Risiken bestehen aber nicht nur für den Unternehmer, sondern auch für das Unternehmen: bei falschen Angaben im Antrag kann eine Verbandsgeldbuße nach § 30 OwiG verhängt werden.

Verteidigungspotenzial: Widersprüchliche politische Äußerungen

Es sind verstärkt Stimmen zu hören, die die rigorosen Voraussetzungen der Soforthilfe kritisieren. Denn wenn man die aktuellen Voraussetzungen eng versteht, wird Soforthilfe eigentlich nur in Fällen gewährt, in denen die Insolvenz eigentlich schon vor der Tür steht. Wenn das Unternehmen aber derart in die Schieflage geraten ist, darf bezweifelt werden, ob die Soforthilfe von der Höhe her ausreicht, um das Unternehmen zu retten.

Von politischer Seite wurde dieses Problem erkannt. So hat der bayerische Ministerpräsident Markus Söder angekündigt, bei Soforthilfen für Klein- und Mittelständler doch darauf verzichten zu wollen, dass diese zunächst ihr liquides Privatvermögen aufbrauchen müssen. Es soll für die Gewährung von Soforthilfen nur auf Umsatzeinbußen ankommen. Ähnliche Aussagen gibt es auch aus anderen Bundesländern, etwa durch die Baden-Württembergische Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut.

Mögen diese Reaktionen auf die berechtigten Einwände in der Sache vielversprechend sein, stehen sie doch im Widerspruch zu den gegenwärtig geltenden Förderrichtlinien. Um das Risiko einer späteren Strafverfolgung zu vermeiden, müssen die Angaben bei der Antragstellung den aktuell geltenden rechtlichen Vorgaben genügen. Kommt es in einem Strafverfahren zu einem Streit darüber, ob die Angaben vollständig und richtig waren, ist es keine sichere Verteidigungsstrategie, sich auf die politischen Behauptungen zu berufen.

Wer unsicher ist, welche Strafbarkeits-Risiken er einzugehen bereit ist, sollte sich bereits vor Antragstellung Gedanke darüber machen, eine Rechtsschutzversicherung im Strafrecht abzuschließen.

Nichts in dieser Welt ist sicher, außer dem Tod und den Steuern

Nach Auskunft des Bundeswirtschaftsministeriums sind die Soforthilfen bei den Steuervorauszahlungen für 2020 nicht zu berücksichtigen, damit sie den Unternehmen in vollem Umfang zu Gute kommen. Es wird allerdings betont, dass der Zuschuss grundsätzlich steuerpflichtig ist. Die Soforthilfe muss also bei der Steuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2020 angegeben werden. Wenn für das Jahr 2020 also insgesamt ein steuerpflichtiger Gewinn erwirtschaftet worden ist, unterliegen auch die Soforthilfen der Besteuerung mit dem jeweiligen individuellen Steuersatz. Wird das übersehen, droht zusätzlich ein Strafbarkeitsrisiko wegen Steuerhinterziehung.