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Medizinstrafrecht

Seit Anfang 2013 werden im Zusammenhang mit Bestellungen des Medikaments Depo-Provera bei der Firma Anthemis s.r.o. neue Ermittlungsverfahren gegen Frauenärzte wegen Betrugs, Steuerhehlerei und Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz geführt.

Bereits im Sommer 2012 wurden gegen etliche Frauenärzte im gesamten Bundesgebiet Strafverfahren eingeleitet. Hintergrund war, dass diese verschiedene Verhütungsmittel (Spirale, 3- Monatsspritzen und Hormonimplantate) zur Anwendung in ihren Arztpraxen von der Firma Sigma bezogen hatten. Die Ärzte sollen durch die Bestellung der Medikamente und deren Applikation in der Arztpraxis Straftatbestände aus dem Arzneimittelgesetz sowie den Straftatbestand des Betruges verwirklicht haben. Der Ausgang der Verfahren ist bisher noch offen. Einige Verfahren wurden mit Zustimmung der betroffenen Ärzte gegen Zahlungen von Geldauflagen in beträchtlicher Höhe (2/3 der jeweiligen Bestellsumme) eingestellt. Gerichtsurteile sind hierzu noch keine bekannt. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind weiterhin umstritten.

Mittlerweile ist eine neue Welle an Ermittlungsverfahren gegen Frauenärzte in Deutschland angerollt. Diesen liegt eine ähnliche, wenn auch nicht vollkommen identisch gelagerte, Konstellation zugrunde, wie den Wuppertaler „Sigma-Verfahren“.

Auslöser für die Ermittlungsverfahren gegen die Frauenärzte war ein von der Zollfahndung München und der Staatsanwaltschaft Hof a.d. Saale geführtes Ermittlungsverfahren gegen die verantwortlichen Geschäftsführer der Firma Anthemis s.r.o., die ihren Sitz in Pilzen (Tschechische Republik) hat. Diesen gegenüber wird der Vorwurf des gewerbsmäßigen Schmuggels in Verbindung mit Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz erhoben.

Die Verantwortlichen der Firma Anthemis sollen aus der Türkei stammende 3-Monats-Verhütungsspritzen (Depo-Provera) in das Bundesgebiet eingeführt haben. Die Medikamente sollen über die zum Schein in der Tschechischen Republik gegründete Firma Anthemis s.r.o. an Frauenärzte in der gesamten Bundesrepublik veräußert worden sein. Der Kontakt mit den jeweiligen Arztpraxen wurde über ein zugefaxtes Bestellformular hergestellt. Den Medikamenten soll die in Deutschland erforderliche Zulassung gefehlt haben. Zudem seien die bei Einfuhr in das Gemeinschaftsgebiet zu leistenden Einfuhrabgaben nicht entrichtet worden.

Die Erkenntnisse aus dem gegen die Verantwortlichen der Firma Anthemis geführten Ermittlungsverfahren wurden von den Ermittlungsbehörden zum Anlass genommen, auch gegen die Ärzte vorzugehen, die von der Firma Anthemis s.r.o. Depo-Provera bezogen haben. Die gegen die Frauenärzte geführten Ermittlungsverfahren wurden zum Teil an die örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften abgegeben. Zum Teil werden die Verfahren durch die Staatsanwaltschaft München II bearbeitet.

Den Ärzten, die Depo-Provera über die Firma Anthemis bezogen haben, wird vorgeworfen, gegen § 96 Nr. 5 Arzneimittelgesetz (AMG) verstoßen zu haben, indem sie für das Bundesgebiet nicht zugelassene Arzneimittel in den Verkehr gebracht haben. Weiterhin steht der Vorwurf der Steuerhehlerei gemäß §§ 369, 374 Abgabenordnung im Raum. Zentraler Vorwurf ist jedoch wohl der Vorwurf des Abrechnungsbetruges gemäß § 263 I Strafgesetzbuch.

Hinsichtlich des Vorwurfes der Strafbarkeit nach dem AMG ist zu erwarten, dass dieser von den Ermittlungsbehörden bald fallengelassen werden wird. Wie auch die Ermittlungsbehörden in den ähnlich gelagerten Sigma-Verfahren bereits erkannt haben, fehlt es für die Strafbarkeit nach dieser Vorschrift bereits an einem „Inverkehrbringen“ der Medikamente im Sinne des AMG. Ein solches läge lediglich dann vor, wenn die Ärzte hier Patientinnen Verfügungsgewalt über die Spritzen überlassen hätten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Drei-Monats-Spritzen in den Arztpraxen ausschließlich an die Patientinnen appliziert wurden. Dies ist für ein Inverkehrbringen nicht ausreichend.

Eine Strafbarkeit wegen Steuerhehlerei käme nur dann in Betracht, wenn den abnehmenden Ärzten bekannt gewesen wäre, dass für die von ihnen erworbenen Spritzen Abgaben zu zahlen gewesen wären. Hiervon kann nur ausgegangen werden, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass den Ärzten bekannt war oder bekannt sein musste, dass die Medikamente aus der Türkei, und damit von außerhalb der EU stammten. Woran dies für die Ärzte erkennbar gewesen sein soll, ist fraglich. Insbesondere wiesen die an die Arztpraxen versandten Bestellformulare und Rechnungen nicht auf eine Herkunft aus der Türkei hin, sondern lediglich darauf, dass die Medikamente aus der Tschechischen Republik kamen.

Zentraler Vorwurf in den Anthemis-Strafverfahren wird wohl der Vorwurf des Betruges gemäß § 263 StGB sein. Durch die Abrechnung nicht zugelassener und damit nicht abrechnungsfähiger Medikamente soll nach Auffassung der Ermittler der Betrugstatbestand erfüllt worden sein.

Diese Einschätzung ist auf ein kürzlich ergangenes Urteil des Bundesgerichtshofs vom 04.09.2012 (Az.: 1 StR 534/11) zurückzuführen. In wie weit die vom BGH in diesem Urteil aufgestellten Wertungen auf vorliegende Fälle übertragbar sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Maßgeblich für die Beurteilung ist unter anderem, ob die Patientinnen über die Herkunft des Medikamentes informiert wurden, ob diese für die Patientinnen überhaupt von Relevanz war und ob die Abrechnung zum Selbstkostenpreis erfolgte oder eine Gewinnspanne des Arztes enthielt.