Häufige Fragen zum Steuerabkommen Deutschland/Schweiz

,

Im Jahr 2012 liefen Verhandlungen zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland. Es sollte ein Steuerabkommen vereinbart werden, mit dem die Kontroversen aus der Vergangenheit beigelegt werden. Aus schweizerischer Sicht ging es um die Wahrung der Attraktivität des eigenen Steuerstandorts. Dazu gehörte insbesondere Diskretion und Anonymität. Aus deutscher Sicht ging es darum, Steuerhinterziehungen aus der Vergangenheit aufzuarbeiten und für die Zukunft eine ordnungsgemäße Besteuerung zu ermöglichen.

Das Abkommen wurde im Frühjahr 2012 überarbeitet und passierte das Gesetzgebungsverfahren in beiden Staaten. Während aus der Schweiz überwiegend Widerstände vom konservativ-nationalistischen Lager kamen, bestanden auf deutscher Seite insbesondere in den SPD-regierten Bundesländern Vorbehalte. Die wichtigsten Argumente der verschiedenen Beteiligten kamen beispielsweise bei der IWW-Fachtagung zum Steuerstandort Schweiz im April 2012 zur Sprache, bei welcher Steuerberater und Steuerexperten beider Länder ihre Positionen austauschten..

Letztlich scheiterte es, da der Bundesrat der geplanten pauschalen Abgeltung von hinterzogenen Steuern nicht zustimmte.

Das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz ist nie in Kraft getreten. Der folgende Text ist daher nur noch von historischem Interesse. Die steuerliche Korrektur von Kapitaleinkünften aus Schweizer Konten ist weiterhin nur durch die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige möglich. Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige wurden zum 1. Januar 2015 verschärft.

Ein Überblick über das geplante Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz wurde bereits am 12. April 2012 auf www.rudolph-recht.de veröffentlicht.

 

Im Folgenden werden einige häufige Fragen zu dem Steuerabkommen – in der ursprünglich geplanten Fassung – beantwortet.

Wen betrifft das Steuerabkommen?

Dem Steuerabkommen unterliegen alle natürlichen Personen, die zum 31.12.2010 in Deutschland lebten und sowohl am 31.12.2010, als auch am 01.01.2013 ein Konto bei einer Schweizer Bank unterhielten. Unter bestimmten Voraussetzungen sind ausnahmsweise auch juristische Personen betroffen.

Ich habe sämtliche in der Schweiz angefallenen Kapitalerträge in Deutschland ordnungsgemäß versteuert. Betrifft mich das Abkommen trotzdem?

Ja. Denn nach dem Abkommen wird nicht danach differenziert, ob die Kapitalerträge ordnungsgemäß in Deutschland versteuert werden – was den Schweizer Banken in der Regel gar nicht bekannt ist. Für Bankkunden, die ihr Vermögen bereits versteuert haben, bleibt also nichts anderes übrig, als die Bank zu ermächtigen, eine sog. „freiwillige Meldung“ an die deutschen Finanzbehörden zu ermitteln. Dabei wird die Identität des Bankkunden, der Name und die Anschrift der Bank, die Kundennummer und der Kontostand zum Jahresende seit 2002 übermittelt. Die deutschen Finanzämter sind dann in der Lage, zu überprüfen, ob die jeweiligen Erträgnisse bereits erklärt wurden. Ist dies der Fall, werden keine weiteren Steuern mehr erhoben.

Was ist das Ziel des Steuerabkommens?

Aus Schweizer Sicht ist das Ziel des Steuerabkommens, auch in Zukunft die Privatsphäre und Identität der Bankkunden zu schützen – allerdings nur noch für ehrliche Kunden. In der Schweiz soll nur noch steuerkonformes Vermögen angelegt werden.

Aus deutscher Sicht sollen Steuerhinterziehungen aus der Vergangenheit aufgearbeitet werden. Für die Zukunft soll die Besteuerung der in der Schweiz angelegten Vermögenswerte sichergestellt werden.

Welche Optionen gibt es?

Bankkunden haben die Wahl zwischen einer pauschalen Einmalzahlung, einer freiwilligen Meldung – oder der Auflösung des Kontos vor dem Stichtag. Die Möglichkeit, Vermögen unversteuert in der Schweiz anzulegen, besteht in Zukunft nicht mehr.

Wie wird die Abgeltungssteuer in der Zukunft behandelt?

Für die Zukunft können Kunden die Schweizer Bank ermächtigen, eine anonyme Abgeltungssteuer abzuführen. Dies geschieht über die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV), die das Geld ohne Nennung der Namen der Kunden an den deutschen Fiskus weiterleitet. Der Steuersatz auf Kapitaleinkünfte beträgt einheitlich 26,375 Prozent. Dies entspricht dem in Deutschland geltenden Abgeltungssteuersatz (25 % plus Solidaritätszuschlag).

Alternativ kann ein Kunde seine Identität offenlegen und sich eine Bescheinigung der Bank über die Kapitalerträge ausstellen lassen, die in Deutschland beim Finanzamt eingereicht wird. Die Schweizer Banken werden das Konto nur dann weiter führen, wenn der Nachweis der Besteuerung in Deutschland erbracht wird.

Was bedeutet „Regularisierung“?

Regularisierung ist ein Begriff, der ursprünglich aus dem technischen Bereich stammt. Er wird in dem Abkommen verwendet, um die strafbefreienden Wirkungen der freiwilligen Meldung und der pauschalen Abgeltung zum Ausdruck zu bringen. In der Sache handelt es sich um etwas ähnliches wie eine „Amnestie“, d.h. eine Art Straferlass. Durch die Wahl des Begriffs „Regularisierung“ soll deutlich werden, dass durch das Abkommen sowohl steuer- als auch strafrechtliche Ungereimtheiten aus der Welt geschafft werden.

Was ist, wenn ich mein Konto vor dem 01.01.2013 kündige?

In diesem Fall sind die Voraussetzungen für die Anwendung des Abkommens nicht erfüllt. Für den Fall, dass die entsprechenden Zinseinkünfte in der Vergangenheit ordnungsgemäß versteuert wurden, besteht hier keine Gefahr. Wenn es in der Vergangenheit allerdings zu einer Steuerhinterziehung kam, dann bleibt diese strafbar. Der einzige Ausweg wäre eine „klassische Selbstanzeige“, bei der selbstverständlich die Anonymität aufgegeben werden müsste. Es ist außerdem nicht auszuschließen, dass es zu Auskunftsersuchen in der Bundesrepublik an die Schweiz kommt, wodurch sich das Entdeckungsrisiko erhöht.

Was passiert, wenn ich mein Geld vor dem 01.01.2013 abhebe?

Sofern an dem Stichtag noch Vermögen auf dem Schweizer Konto vorhanden ist, wirkt sich eine Abhebung nicht auf die Höhe der dann fälligen Einmalzahlung aus. Denn die Formel, nach der sich deren Höhe errechnet, knüpft an den jeweils höchsten Kontostand zwischen den relevanten Stichtagen an. Die einzige Möglichkeit, der Einmalzahlung zu entgehen, wäre daher die vollständige Auflösung des Kontos – mit den oben beschriebenen Konsequenzen.

Macht es Sinn, das Geld beispielsweise auf eine Lebensversicherung zu übertragen?

Das ist umstritten. In Art. 33 des Abkommens findet sich eine sog. Missbrauchsklausel. Schweizer Banken können danach in Haftung genommen werden, wenn sie an künstlichen Strukturen mitwirken, die nur dazu geschaffen werden, das Abkommen zu umgehen.

Was ist, wenn ich Geld aus anderen Ländern in die Schweiz leite?

Nach der Formel über die Berechnung der Einmalzahlung sind Vermögenszuführungen nach dem 31.12.2010 grundsätzlich nur bis zu 20 % des gesamten Vermögenswertes von der Einmalabgabe erfasst. Es ist daher nicht möglich, das gesamte nicht versteuerte Auslandsvermögen durch eine kurzfristige übertragung in die Schweiz „rein zu waschen“. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste für den nicht von der Einmalzahlung erfassten verbleibenden Teil in jedem Fall noch eine „klassische Selbstanzeige“ abgegeben werden.

Wie hoch ist die pauschale Einmalzahlung?

Nach einer in der Anlage zum Abkommen veröffentlichten komplizierten Formel errechnet sich ein Steuersatz zwischen 21 und 41 Prozent. Der konkrete Satz hängt u.a. davon ab, wie lange das Geld angelegt war, welche Vermögenszuwächse stattfanden und wie viel Geld vorhanden ist. Für die Mehrzahl der Bankkunden wird der effektive Steuersatz voraussichtlich zwischen 20 und 25 % betragen.

Welche Steuerarten sind von der Einmalzahlung erfasst?

Durch die Einmalzahlung gelten die deutsche Einkommens-, Umsatz-, Vermögens-, Gewerbe-, Erbschafts- und Schenkungssteuer als erloschen. Dasselbe gilt wohl auch für die Kirchensteuer. Nicht erfasst hingegen sind Rückstände aus der Körperschaftssteuer. Diesbezüglich muss in jedem Fall eine Selbstanzeige abgegeben werden, wenn das Vermögen legalisiert werden soll. Dies spielt vor allem in Fällen eine Rolle, bei denen es zu sogenannten „verdeckten Gewinnausschüttungen“ kam.

Was ist die für mich günstigste Lösung?

Dies lässt sich nicht pauschal beantworten. Neben der rein ökonomischen überlegung, welche Variante zu der geringsten Nachzahlung führt, spielen auch individuelle Aspekte eine Rolle. Besonderheiten ergeben sich beispielsweise, wenn es zu Hinterziehung anderer Steuerarten (beispielsweise Körperschaftssteuer) kam, wenn auch Erträgnisse aus anderen Ländern hinterzogen wurden oder wenn es persönliche Gründe dafür gibt, dass bisher noch keine Selbstanzeige abgegeben wurde.

Für wen hat die anonyme Einmalzahlung Vorteile?

Die pauschale Abgeltung hat vor allem Vorteile für Kunden, die weiter Wert auf Anonymität legen. Rein rechnerisch profitieren auch Personen, deren Kapital in den letzten Jahren einen starken Wertzuwachs erhalten hat oder die das Geld in der Schweiz beispielsweise geerbt haben.

Wer sollte lieber eine Selbstanzeige abgeben?

Eine Selbstanzeige empfiehlt sich vor allem, wenn es weitere Kapitaleinkünfte aus anderen Ländern oder aus Steuerarten gibt, die von der Regularisierungswirkung nicht erfasst sind (insbesondere Körperschaftsteuer).

Für wen empfiehlt sich eine freiwillige Meldung?

Rechnerisch ist die freiwillige Meldung vor allem für Personen interessant, die einem niedrigen Steuersatz unterliegen (z.B. Rentner). Günstiger dürfte die Steuer nach einer freiwilligen Meldung auch in den Fällen ausfallen, wo es in den letzten Jahren nur zu geringen Wertsteigerungen des Kapitals kam.

Ich habe kein Konto in der Schweiz. Kann ich jetzt noch ein Konto eröffnen, um von den Vorteilen der Pauschalversteuerung oder der Amnestiewirkung zu profitieren?

Nein. Das Steuerabkommen betrifft nur Fälle, bei denen Vermögenswerte bereits am 31.12.2010 in der Schweiz angelegt waren.

Schützt mich eine freiwillige Meldung vor Strafe?

Ja. Es ist allerdings im Detail umstritten, ob zusätzlich die Voraussetzungen der strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO erfüllt sein müssen. Nach dem Zweck des Abkommens und dem Wortlaut der Regelungen wird man dies verneinen können.

Schützt mich eine Pauschalzahlung vor Strafe?

Ja- allerdings nur, soweit es um die erfassten Steuerarten geht, die auch mit dem in der Schweiz angelegten Vermögen im Zusammenhang stehen.

Muss ich mit einer Hausdurchsuchung rechnen?

Wenn das Steuerabkommen in Kraft tritt, dürften all diejenigen, die ihr Vermögen im Zuge der Einmalzahlung oder der freiwilligen Meldung regularisieren, von weiteren strafrechtlichen Ermittlungen verschont bleiben. Problematisch kann es werden, wenn das Konto vor dem Stichtag in der Schweiz aufgelöst wird. Nach dem Abkommen ist die Schweiz verpflichtet, der Bundesrepublik mitzuteilen, in welche Staaten die Gelder transferiert werden. Derartige Mitteilungen werden zwar anonym erfolgen. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass es hier zu verstärkten Fahndungsmaßnahmen durch deutsche Steuerbeamte kommt.

Wird meine Anonymität in Zukunft gewahrt werden?

Durch das Abkommen wird gewährleistet, dass in der Zukunft in der Schweiz nur noch versteuertes Vermögen angelegt wird. Für versteuerte Einkommen gilt auch in Zukunft der Schutz der Privatsphäre.

Probleme ergeben sich eventuell nach einem Erbfall, d.h. wenn der Kontoinhaber stirbt. Denn der hierfür vorgesehene pauschale Steuersatz ist so hoch, dass den Erben praktisch nichts anderes übrig bleibt, als die Anonymität aufzugeben und eine Erbschaftssteuererklärung mit den konkreten Zahlen einzureichen.

Was passiert, wenn das Steuerabkommen scheitert?

Die derzeit geplante Fassung des Steuerabkommens ist ein Kompromiss. Auf der einen Seite stehen die Interessen der Schweiz, die ihren Bankkunden auch in Zukunft Diskretion gewähren will. Auf der anderen Seite stehen die Interessen der Bundesrepublik die Steueransprüche durchzusetzen. Politisch umstritten ist, um welchen Preis dies geschehen soll. Die Pauschalisierung und Amnestiewirkung der derzeitigen Fassung führt in manchen Fällen zu einer Besserstellung derer, die in der Vergangenheit Steuern hinterzogen haben. Sollte das Abkommen aus politischen Gründen scheitern, ist fraglich, ob die Schweiz den Schutz der Anonymität der Bankkunden in Zukunft weiter garantieren kann.