Auslieferung im Strafrecht
In einer globalisieren Welt machen weder Kriminalität noch deren Verfolgung an nationalen Grenzen halt. Es wäre daher falsch zu glauben, dass eine im Ausland begangene Straftat keine Konsequenzen hat.
Auslieferung und Überstellung von Beschuldigten im Rahmen internationaler Strafvollstreckung gehören zum Alltag eines Strafverteidigers.
1. Zwischenstaatliche Beziehungen im Strafrecht
Die Bundesrepublik Deutschland kann ausländische Staatsbürger unter bestimmten Voraussetzungen an andere Staaten ausliefern bzw. überstellen.
Von Auslieferung spricht man, wenn es um internationale Beziehungen des Strafrechts zwischen der Bundesrepublik und anderen Staaten geht, die nicht zur Europäischen Union gehören.
Die Beziehungen zwischen Deutschland und anderen EU-Staaten bezüglich der Übersendung von Straftätern werden als Überstellung bezeichnet.
„Auslieferung“ meint, dass ein Dritt-Staat (ersuchender Staat) aus Gründen der Strafverfolgung oder Strafvollstreckung einen anderen Staat (ersuchter Staat) zur Übergabe einer Person auffordert, die sich im ersuchten Staat aufhält. Die Auslieferung an einen Nicht-EU-Staat ist bei eigenen Staatsangehörigen grundsätzlich unzulässig. Dies ist im Grundgesetz geregelt, vgl. Art. 16 Abs. 2 S. 1 GG. Der deutsche Staat wird die Strafverfolgung dann selbst übernehmen.
In der Europäischen Union erfolgt die sog. „Überstellung“ einer Person seit 2004 auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls. Überdies sind Rechtshilfeersuchen in der EU weniger bürokratisch und damit weitaus effektiver.
Abzugrenzen vom Auslieferungsverkehr ist die (bloße) Fahndung nach Straftätern im Ausland. Sie ist nicht Bestandteil des Auslieferungsverfahrens.
Abzugrenzen ist die Auslieferung auch von der Ausweisung/Abschiebung. Ausweisung ist eine innerstaatliche Maßnahme des Ausländerrechts und der Gefahrenabwehr, die den Ausgewiesenen dazu zwingt, den Staat zu verlassen. Widersetzt sich der Ausgewiesene, wird die Ausweisung zwangsweise im Wege der Abschiebung vollstreckt.
2. Auslieferungsverfahren
Das Auslieferungsverfahren beginnt mit dem Eingang eines schriftlichen Auslieferungsersuchens des ersuchenden Staates an den ersuchten Staat (sog. Auslieferungsersuchen). Der ersuchende Staat muss die Begehung einer auslieferungsfähigen Straftat durch den Betroffenen schlüssig behaupten. Beweise werden in diesem frühen Verfahrensstadium nicht gefordert.
Zuständig für die Bearbeitung ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. In der Praxis wurden die meisten Befugnisse jedoch auf die Landesregierungen und nachgeordnete Behörden übertragen.
Der weitere Verfahrensgang ist zweistufig. Einem justiziellen Zulässigkeitsverfahren schließt sich ein behördliches Bewilligungsverfahren an.
Auf der ersten Stufe, im justiziellen Zulässigkeitsverfahren, entscheidet das Oberlandesgericht über die Zulässigkeit der Auslieferung (§§ 31, 32 IRG). Die Entscheidung ist bindend und nicht anfechtbar.
Im anschließenden Bewilligungsverfahren wird auf der zweiten die Auslieferung auf der Ebene des Ministeriums inhaltlich geprüft. Wird die Auslieferung abgelehnt, ist das Ersuchen erloschen. Dies hindert den ersuchenden Staat allerdings nicht, ein neues Ersuchen zu stellen.
Wird die Auslieferung bewilligt, ist die Entscheidung der Bewilligungsbehörde unter bestimmten Voraussetzungen einer Überprüfung durch das Oberlandesgericht zugänglich.
Damit sich die verfolgte Person während des laufenden Verfahrens der Auslieferung nicht entzieht, kann Auslieferungshaft angeordnet werden.
Nach der Bewilligung der Auslieferung wird die verfolgte Person an die Behörden des ersuchenden Staates übergeben. Gegebenenfalls kann zur Sicherung der Durchführung der Überstellung eine Haft nach § 34 IRG angeordnet werden.
3. Voraussetzungen der Auslieferung
Rechtshilfe erfolgt grundsätzlich nur an Staaten, die selbst Rechtshilfe leisten (sog. Grundsatz der Gegenseitigkeit, vgl. § 5 IRG). Der Grundsatz der Gegenseitigkeit besagt, dass die vom ersuchenden Staat gerügte Tat auch im ersuchten Staat eine mit Strafe bedrohte Handlung darstellen muss, § 2 IRG. Zudem muss nach dem Prinzip der beiderseitigen Strafbarkeit das entsprechende Verhalten auch nach deutschem Recht eine Straftat sein.
Der ersuchende Staat muss außerdem den Grundsatz der Spezialität beachten (§ 11 IRG). Ohne Zustimmung des ersuchten Staates dürfen andere Taten als die, wegen derer ausgeliefert wurde, nicht verfolgt werden.
Auslieferungshindernisse können sich aus Verstößen gegen die wesentlichen Grundsätze der deutschen Rechtsordnung im ersuchenden Staat ergeben. Verboten ist die Auslieferung z.B. dann, wenn dem Verfolgten im ersuchenden Staat Folter oder unmenschliche Behandlung drohen.
Weitere Hindernisse sind
- Drohende politische oder sonst rechtsstaatswidrige Verfolgung, § 6 Abs. 2 IRG
- Militärische Straftaten, § 7 IRG
- Drohende Todesstrafe im ersuchenden Staat, § 8 IRG
- Drohende Doppelbestrafung, § 9 Nr. 1 IRG
- Verjährung der Straftat, § 9 Nr. 2 IRG
4. Rechtsanwalt
Der Verfolgte kann und sollte in jeder Lage des Verfahrens einen Rechtsanwalt wählen (§ 40 Abs. 1 IRG). Darüber hinaus ist die Beiordnung eines anwaltlichen Beistands möglich, wenn die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung erfordert (§ 40 Abs. 2 Nr. 1 IRG), wenn der Verfolgte seine Rechte nicht selbst hinreichend wahrnehmen kann (§ 40 Abs. 2 Nr. 2 IRG) oder wenn der Verfolgte minderjährig ist (§ 40 Abs. 2 Nr. 3 IRG).
5. Überstellung innerhalb der Europäischen Union
In der Europäischen Union erfolgt die sog. „Überstellung“ einer Person seit 2004 auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls. Damit wurde ein spezielles Gesetz geschaffen, welches auch die Auslieferung deutscher Staatsangehöriger ermöglicht. Deutschland kann daher Deutsche an andere EU-Staaten auf deren Ersuchen hin ausliefern und tut dies auch regelmäßig. Bei bestimmten Taten entfällt zudem das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit.
Ein Europäischer Haftbefehl ist eine justizielle Entscheidung, die in einem Mitgliedstaat (Ausstellungsstaat) erfolgte und die Festnahme und Übergabe einer gesuchten Person durch einen anderen Mitgliedstaat (Vollstreckungsstaat) zur Strafverfolgung oder zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Sicherung bewirken soll. Der Europäische Haftbefehl beruht auf einer zuvor erlassenen nationalen Verhaftung.
6. Verfahren der Überstellung
Das Verfahren weist Unterschiede gegenüber der Auslieferung auf. Das Übergabeverfahren nach dem Europäischen Haftbefehl ist einstufig, während das klassische Auslieferungsverfahren zweistufig ist, da eine ministerielle Bewilligungsebene existiert. Das Verfahren im Rahmen des Europäischen Haftbefehls eröffnet zudem direkte Kontakte zwischen den beteiligten Justizbehörden. Überstellungen innerhalb der EU laufen dadurch schneller und routinierter ab als Auslieferungen an Dritt-Staaten.
Gleichwohl lohnt es sich in vielen Fällen, zu kämpfen.