Nebenstrafrecht

Neben dem Strafgesetzbuch (StGB) enthalten viele weitere Gesetze Strafvorschriften. Diese sind meistens in einem gesonderten Abschnitt am Ende des Gesetzes enthalten. Der Begriff „Nebenstrafrecht“ ist irreführend, denn keinesfalls sind Straftaten aus den sogenannten Nebengesetzen lediglich „nebensächlich“. Das Nebenstrafrecht bezeichnet alle Straftatbestände, die nicht im Strafgesetzbuch (StGB) erfasst werden.

Warum gibt es das Nebenstrafrecht?

Bei In-Kraft-Treten des Strafgesetzbuchs im Jahr 1871 wurden noch nicht alle heute relevante Straftatbestände berücksichtigt. Im Wandel der Zeit haben sich neue Rechtsmaterien entwickelt, die ihre eigenen Straftatbestände bereithalten. Das Strafgesetzbuch wurde zwar über 200-mal geändert, jedoch würde es zu einem Durcheinander in dem sonst überschaubaren StGB führen, wenn jede „neue“ strafrechtlich relevante Verhaltensweise in das schon bestehende Gesetzeswerk eingepflegt würde.

Strafrechtliche Bestimmungen in einem Nebengesetz zu verorten ist sinnvoll, wenn es sich um eine eigene Rechtsmaterie handelt, die neben strafrechtlichen Vorschriften zunächst viele allgemeine Bestimmungen auf diesem Gebiet trifft.

Doch gelten für alle Straftatbestände, gleich ob sie im StGB oder in einem Nebengesetz verortet sind, die gleichen allgemeinen Regeln zum Vorsatz, zum Versuch und zur Bestimmung der Strafhöhe.

Welche besonderen Regeln gelten im Nebenstrafrecht?

Der Verstoß gegen ein strafrechtliches Nebengesetz wird grundsätzlich genauso geahndet wie eine Straftat, die im StGB normiert ist. Es gibt aber auch Besonderheiten in den einzelnen nebenstrafrechtlichen Bestimmungen.

Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung ist nicht im Strafgesetzbuch, sondern in der Abgabenordnung normiert (§ 370 AO). Die Abgabenordnung enthält insgesamt 415 Paragraphen, doch nur ein kleiner Teil, die §§ 369-376 AO, behandeln das Steuerstrafrecht. Als Sonderregelung, die im StGB kein Pendant findet, ist die strafbefreiende Selbstanzeige in § 371 AO zu nennen.

Das Betäubungsmittelrecht enthält in den §§ 29-34 BtMG Bestimmungen zu Straftaten und Ordnungswidrigkeiten. Wie typisch für strafrechtliche Nebengesetze wird in § 29 BtMG auf andere Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes Bezug genommen und verwiesen.

Auch das BtMG ist mit dem allgemeinen Teil des StGB verbunden. So enthält § 31 BtMG eine besondere Bestimmung zur Strafmilderung bzw. zum Absehen von Strafe gemäß dem Stufensystem des § 49 Abs. 1 StGB. Im Betäubungsmittelrecht kommt eine Strafmilderung in Betracht, wenn der Täter freiwillig durch seine Aussage dazu beigetragen hat, dass eine andere Straftat nach den §§ 29 bis 30a BtMG aufgedeckt bzw. verhindert werden kann.

In § 35 BtMG ist „Therapie statt Strafe“ vorgesehen. Danach kann die Strafvollstreckung zurückgestellt werden, wenn der Täter zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist und er die Tat aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat.

Welche Straftatbestände sind im Nebenstrafrecht enthalten?

Insbesondere im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts von Bedeutung sind die strafrechtlichen Bestimmungen im Aktiengesetz (§§ 399-404 AktG) sowie in §§ 38-40b Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und §§ 143-145 Markengesetz (MarkenG).

Auch das Straßenverkehrsgesetz (StVG) hält Straftatbestände bereit: Das Fahren ohne Fahrerlaubnis wird gemäß § 21 StVG mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet. Ebenso wird nach § 22 StVGbestraft wer einen Kennzeichenmissbrauch begeht.

Die Verletzung von Urheberrechten, das so genannte Filesharing, führt nicht lediglich zu Abmahnungen oder Schadensersatzforderungen, sondern kann unter den Voraussetzungen von §§ 106-109 Urheberrechtsgesetz (UrhG) strafrechtlich verfolgt werden.

Wer einer bestimmten Gewaltschutz-Anordnung zu wider handelt wird gemäß § 4 Gewaltschutzgesetz (GewSchG) mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Das Arzneimittelgesetz (AMG), indem eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung geregelt ist, enthält in den §§ 95 – 98a Straf- und Bußgeldvorschriften.

Der Handel mit Organen oder Gewebe ist nach § 18 Transplantationsgesetz (TPG) mit Strafe bedroht.

Darüber hinaus finden sich in verschiedenen anderen Gesetzen wie dem Bundesnaturschutzgesetz (§ 66 BNatSchG), dem Bundesjagdgesetz (§ 38 BJagdG) oder dem Versammlungsgesetz (§§ 21 ff. VersammlG) Strafvorschriften.

Ein guter Strafverteidiger nimmt nicht nur das StGB zur Hand, sondern findet sich auch im undurchdringlichen Nebenstrafrecht zu Recht.

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