Durchsuchung: Wie verhalte ich mich wenn die Polizei mein Haus oder mein Unternehmen durchsucht?
Die Bilder aus dem Fall Zumwinkel, bei dem eine Staatsanwältin in Begleitung von mehreren Dutzend Beamten am frühen Morgen in die Privat-Villa des ehemaligen Post-Chefs eindrang, haben sich ins kollektive Gedächtnis eingeprägt. In der Praxis sind zwar nicht alle gerichtlich angeordneten Durchsuchungsmaßnahmen so spektakulär. Für die Betroffenen stellen sie jedoch meist einen Schock dar, den kaum einer jemals im Leben wieder vergisst.
Häufig ist eine Hausdurchsuchung als sogenannte offene Ermittlungsmaßnahme der erste Zeitpunkt, in welchem dem Beschuldigten mitgeteilt wird, dass gegen ihn ein Strafverfahren läuft. Strafverfolger haben der Versuchung zu widerstehen, diesen Moment der Schwäche zur Aushöhlung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten zu missbrauchen.
Teil 1: Rechtliche Hintergründe und Voraussetzungen einer Hausdurchsuchung
Was ist eine Durchsuchung?
Unter Durchsuchung versteht man die ermittlungstechnische Maßnahme der Aufsuchung einer Person oder einer Sache bzw. Räumlichkeit zum Auffinden von Gegenständen oder von Personen.
Hausdurchsuchungen sind als präventive Maßnahme (d.h. vorbeugend, zur Verhinderung von Straftaten in der Zukunft) oder als repressive Maßnahme (d.h. zur Aufklärung von Straftaten, die in der Vergangenheit liegen) möglich.
Die Durchsuchung einer Person oder einer Räumlichkeit/Wohnung stellt einen intensiven Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen dar. Dies gilt besonders für die Durchsuchung von Privatwohnungen. Hier sind aufgrund der herausragenden Bedeutung des Schutzes der Wohnung (verbürgt in Art. 13 Grundgesetz) besonders hohe rechtliche Hürden zu beachten.
Rechtliche Voraussetzungen
Rechtsgrundlagen für eine Durchsuchung im Rahmen der Strafverfolgung sind die §§ 102 bis 110 StPO. Taugliche Durchsuchungsgegenstände sind Häuser, Wohnungen und Räume, zudem Personen (zumindest Spuren an, in und unter der Kleidung; nicht: Körperinneres!) und EDV-Anlagen (Datenträger wie USB-Sticks, Festplatten, Smartphones, Clouds etc.).
Durchsucht werden kann beim Verdächtigen (§ 102 StPO) oder bei anderen Personen (§ 103 StPO). Für die Durchsuchung beim Verdächtigen genügt bereits das Vorliegen eines Anfangsverdachtes, d.h. die Hürden sind nicht allzu hoch. Es genügen konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat aus kriminalistischer Erfahrung.
Gleichwohl dürfen die Ermittler nicht erst mithilfe der Durchsuchung diejenigen Beweismittel auffinden, mit der ein Verdacht begründet werden soll. Die Durchsuchung bei anderen Personen ist nur dann gestattet, wenn es um die Ergreifung des Beschuldigten oder um die Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände geht.
Eine Durchsuchung ist nur zulässig, wenn sie abschließend festgelegte Zwecke erfüllt: Entweder dient sie der Ergreifung eines Täters oder Teilnehmers einer Straftat (Ergreifungsdurchsuchung), der Auffindung von Beweismitteln (Ermittlungsdurchsuchung), oder der Beschlagnahme von Einziehungsgegenständen (Einziehungsdurchsuchung).
Aufgefundene Beweismittel wie auch Einziehungsgegenstände können nach den §§ 94 ff. StPO sichergestellt oder beschlagnahmt werden. Hierfür gelten eigene rechtliche Regeln.
Verhältnismäßigkeit
Aufgrund der Intensität des Eingriffs stellt die Strafprozessordnung strenge materielle und formelle Vorgaben auf. Wichtigste materielle Vorgabe ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sind weniger einschneidende, dabei aber gleich wirksame Maßnahmen möglich, scheidet eine Durchsuchung in der Regel aus. Allerdings sinkt die Schutzbedürftigkeit des Betroffenen mit dem Grad der Schwere der vorgeworfenen Straftat.
Die Verhältnismäßigkeit von Durchsuchungsmaßnahmen ist immer wieder Gegenstand von erfolgreichen Verfassungsbeschwerden. Beispiele für aktuelle Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht finden Sie hier.
Richtervorbehalt
Wichtigste formelle Anforderung ist die richterliche Durchsuchungsanordnung. Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 GVG) angeordnet werden (§ 105 Abs. 1 S. 1 StPO).
Anmerkung: Es heißt übrigens „Gefahr im Verzug“, nicht „Gefahr in Verzug“. Die etwas veraltete Formulierung des Gesetzes bringt zum Ausdruck, dass es eine „Gefahr“ für den Durchsuchungserfolg wäre, würde man die Maßnahme weiter verzögern. Verzug“ ist also die Ursache der Gefahr und nicht deren Zustand. Auf Latein heißt es „periculum in mora“, was so viel bedeutet wie „Gefahr bei Verzögerung“. Gleichwohl hat sich in Österreich der Ausdruck „Gefahr in Verzug“ durchgesetzt.
Erforderlich ist außerdem eine ausreichende Konkretisierung. Die Durchsuchungsanordnung muss die Straftat bezeichnen, deren mutmaßliche Begehung den Anlass für die Durchsuchung begründet. Zudem sind der Zweck (d.h. Ergreifungs-, Ermittlungs-, oder Einziehungsdurchsuchung, s.o.), das Ziel (d.h. die zu erwartenden Funde) und das Ausmaß der Durchsuchung (d.h. welche Räume, welche Örtlichkeiten etc.) zu benennen.
Durchsuchungen zur Ergreifung eines Verdächtigen bzw. Verurteilten sind in dessen eigenen Räumlichkeiten ohne besondere Durchsuchungsanordnung jederzeit zulässig, wenn gegen ihn ein Haftbefehl vorliegt.
Ein richterlich angeordneter Durchsuchungsbeschluss hat eine Gültigkeit von maximal sechs Monaten. Er berechtigt zur einmaligen Durchsuchung „in einem Zug“, die zwar kurzzeitig pausiert, nicht jedoch auf mehrere Tage „gestreckt“ werden darf.
Durchführung der Durchsuchung
Die Durchsuchungsanordnung wird in der Regel von der Staatsanwaltschaft oder ihren Ermittlungspersonen (vgl. § 152 GVG) ausgeführt. Üblicherweise erscheinen die Staatsanwaltschaft und die ermittelnden Beamten am frühen Morgen (gegen 7:00 h). Für Durchsuchungen in der Nacht gelten besondere strenge Vorgaben (§ 104 StPO). Eine Durchsuchung zur Nachtzeit ist grundsätzlich nur möglich, wenn es sich um eine Verfolgung des Verdächtigen auf frischer Tat, einen Fall von Gefahr im Verzug oder eine Wiederergreifung eines entwichenen Gefangenen handelt. Die Nachtzeit umfasst im Zeitraum vom 01. April bis 30. September die Stunden von neun Uhr abends bis vier Uhr morgens und im Zeitraum vom 01. Oktober bis 31. März die Stunden von neun Uhr abends bis sechs Uhr morgens.
Teil 2: Verhalten bei der Durchsuchung
Wichtigste Regel: Versuchen sie schnellstmöglich Kontakt zu einem Strafverteidiger aufzunehmen und bitten Sie die Ermittlungsbeamten bis zu dessen Eintreffen mit der Durchsuchung zu warten
Das Recht auf Verteidigerbeistand steht Ihnen gesetzlich jederzeit zu (§ 137 StPO). Zwar müssen die Ermittler der Bitte des Zuwartens nicht nachkommen; allerdings wird eine „Kooperation“ leichter, wenn Sie ruhig und sachlich bleiben und die Situation deeskalieren. Anders als für die Betroffenen handelt es sich für die Ermittlungspersonen um eine Routinemaßnahme. Das Warten auf den Verteidiger wird Ihnen in den meisten Fällen daher nicht verwehrt werden. Eine sachliche Atmosphäre liegt auch im Interesse der Beamten.
Wenn Sie den Strafverteidiger Ihres Vertrauens im Moment der Durchsuchung nicht erreichen, können Sie auch den Strafverteidiger-Notruf in Anspruch nehmen.
Sonderfall: Unternehmensdurchsuchungen
Einen Sonderfall bilden Durchsuchungen im Unternehmen. Die Beschuldigten in Wirtschaftsstrafverfahren sind meist Geschäftsführer oder leitende Angestellte – und oft gar nicht anwesend, wenn die Durchsuchung beginnt. In den meisten Fällen von Wirtschaftskriminalität werden im Durchsuchungsbeschluss auch mehrere Beschuldigte genannt, so dass sehr kurzfristig ein Verteidigerteam zusammenzustellen ist.
Mindestens genauso wichtig wie die kurzfristige Anwesenheit eines Verteidigers ist bei Unternehmensdurchsuchungen auch die schnelle Organisation eines Rechtsanwalts als Zeugenbeistand. Hintergrund ist, dass meist mit dem ersten Zugriff nicht nur Unternehmensunterlagen beschlagnahmt werden, sondern die Ermittler auch das Chaos der Situation nutzen, um Mitarbeiter, die (noch) nicht offiziell beschuldigt sind, als Zeugen zu vernehmen. Der Zeugenbeistand ist als Rechtsanwalt dafür verantwortlich, dass diese spontanen Vernehmungen rechtlich korrekt ablaufen, d.h. dass insbesondere Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrechte der Betroffenen eingehalten werden.
Regel 1: Lassen Sie sich keinesfalls zu irgendwelchen Einlassungen oder Aussagen verleiten
Jegliche Form „informeller Befragung“ mag zunächst harmlos wirken, wird von den Ermittlungspersonen jedoch protokolliert und Ihnen später zu Ihren Lasten vorgehalten. Zwar handelt es sich um einen nachvollziehbaren Reflex, sich gegen den überraschenden Einbruch in Ihre Privatsphäre argumentativ wehren zu wollen. Widerstehen Sie jedoch unbedingt diesem Verlangen. Schweigen ist Gold.
Regel 2: Bleiben Sie ruhig und sachlich
Wehren Sie sich nicht und verschlimmern Sie die Lage nicht unnötig. Während der Maßnahme haben Sie diese zu dulden. Zu einer aktiven Kooperation sind sie jedoch nicht verpflichtet, auch nicht zur Auskunft. Im Extremfall dürfen die Ermittlungspersonen die Durchsuchung mit Zwangsmaßnahmen durchsetzen, d.h. z.B. die Wohnung aufbrechen oder den Garten umgraben. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der richterlichen Durchsuchungsanordnung ist im Nachhinein durch Ihren Verteidiger in Form einer Beschwerde (§ 304 StPO), die der polizeilichen oder staatsanwaltlichen Durchsuchungsmaßnahme durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 98 Abs. 2 S. 2 StPO) möglich.
Regel 3: Lassen Sie sich alle Anordnungen vorlegen und bestehen Sie auf die Anwesenheit eines Zeugen
Achten Sie darauf, dass Sie belehrt werden und Ihnen der Durchsuchungsbeschluss vorgelegt wird. Anhand des Beschlusses werden Sie erkennen können, aus welchem Grund und zu welchem Zweck die Durchsuchung erfolgt. Verlangen Sie eine Kopie des Beschlusses.
Sie haben das Recht, bei der Durchsuchung anwesend zu sein, sowie einen Zeugen hinzuzuziehen (§ 106 Abs. 1 Satz 1 StPO). Hierbei handelt es sich um zwingendes Recht.
Regel 4: Achten Sie auf genaue Protokollierung
Die Beamten sind verpflichtet, ein genaues Verzeichnis der beschlagnahmten Gegenstände anzufertigen und Ihnen ein Verzeichnis über die Beschlagnahme auszuhändigen. Hierbei handelt es sich um zwingendes Recht, das nicht zur Disposition der Ermittler steht. Vermeiden Sie es, dieses Beschlagnahmeverzeichnis zu unterschreiben. Nicht Sie haben etwas zu bestätigen, sondern die Ermittlungsbeamten.
Manchmal äußern die Beamten während der Durchsuchung Dinge wie:
„Wenn Sie nicht unterschreiben wird es nur schlimmer, denn dann müssen Sie mit einer Verhaftung rechnen.“.
„Es ist besser für Sie, keinen Verteidiger zu rufen. Sonst verärgern Sie das Gericht.“
„Wenn Sie jetzt ein Geständnis ablegen, werde ich beim Staatsanwalt ein gutes Wort für Sie einlegen. Ich kenne ihn sehr gut und weiß, dass das der einzige Weg ist, einer Verhaftung zu entgehen.“
Derartige Behauptungen sind nicht nur falsch, sondern auch rechtlich unzulässig.
Leider passiert es immer wieder, dass, wenn kein Rechtsanwalt anwesend ist, mit derartigen Tricks versucht wird, die Schwäche des Beschuldigten beim ersten Zugriff auszunutzen.
Wer als Beschuldigter einem solchen „Ratschlag“ folgt, schaufelt sich sein eigenes strafprozessuales Grab – mit meist verheerenden Folgen für den weiteren Verlauf des Verfahrens.
Der sicherste Weg, sich gegen derartige unzulässigen Täuschungsversuche zur Wehr zu setzen, ist es, auf die Anwesenheit eines Rechtsanwalts zu bestehen. Der zweitbeste Weg ist es, Ermittlungsbeamten, die fragwürdige Bemerkungen über die aus ihrer Sicht beste „Verteidigungsstrategie“ machen, aufzufordern, diese zu protokollieren oder zumindest vor unabhängigen Zeugen zu wiederholen.
Die „schwarzen Schafe“ unter den Ermittlern werden meist wieder ganz schnell sachlich, wenn sie sich der Gefahr ausgesetzt sehen, dass ihre Methoden transparent und rechtlich überprüfbar werden.
Regel 5: Widersprechen Sie der Beschlagnahme von Beweismitteln
Ein Widerspruch bewirkt zwar nicht, dass die Fundstücke nicht mitgenommen werden. Allerdings bleibt Ihnen so der Weg zur nachträglichen Überprüfung offen, da die Sicherstellung „gegen Ihren Willen“ als sog. Beschlagnahme bezeichnet wird, gegen die Sie sich im Nachhinein gerichtlich wehren können.
„Widersprechen“ bedeutet nicht, dass Sie sich lautstark oder handgreiflich in Szene setzen sollten. Es genügt, ausdrücklich und standhaft darauf zu bestehen, dass Sie mit der Mitnahme gefundener Gegenstände nicht einverstanden sind. Lassen Sie diesen Widerspruch auch protokollieren.
Ein Widerspruch gegen die Mitnahme von Unterlagen bzw. Datenträgern ist bei der Durchsuchung von Arztpraxen bzw. Rechtsanwalts- und Steuerkanzleien nicht nur ratsam, sondern rechtlich sogar geboten. Denn die Berufsträger unterliegen der rechtlichen Schweigepflicht. Würden sie der Mitnahme von Informationen, die das Berufsgeheimnis betreffen, zustimmen, machen sie sich strafbar wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB).
Sie sind nicht verpflichtet, Passwörter für Computer bzw. Mobiltelefone herauszugeben. In Einzelfällen ist es sinnvoll, dies zu tun, um zu verhindern, dass die komplette EDV-Anlage bzw. Festplatte mitgenommen wird. Meist bekommt man sie allerdings auch schnell wieder zurück. Daher gilt auch hier: Im Zweifel erst einmal dulden und widersprechen – um dann alles Weitere in Ruhe mit dem Anwalt zu besprechen.
Regel 6: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird
Für viele Beschuldigte, die von einer Hausdurchsuchung überrumpelt werden, bricht eine Welt zusammen. Manch einer verliert den Glauben an den Rechtsstaat, wenn er die Staatsgewalt hautnah erlebt – von der Angst um die eigene Zukunft ganz zu schweigen.
Die gute Nachricht aus professioneller Perspektive ist, dass nach einer Durchsuchung jedoch meist wieder sehr schnell Ruhe einkehrt. Strafverfahren sind wie Krankheiten. Sie sind immer quälend und treffen oft die Falschen. Die allermeisten Übel gehen jedoch mit professioneller Hilfe wieder vorbei oder lassen sich deutlich mildern.
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