Darf ein Rechtsanwalt lügen?

Nein. Ein Anwalt darf nicht lügen.

Es mag Menschen geben, die die Antwort auf diese Frage tatsächlich überraschen wird. Der Rechtsanwalt – und ganz besonders der Strafverteidiger – ist ein einseitiger Interessenvertreter, der dem Wohl seines Mandanten verpflichtet ist. Trotzdem darf er nicht die Unwahrheit sagen.

Ein Rechtsanwalt ist gemäß § 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. Die Freiheit von staatlichen Einflüssen wird in dieser Formel durch die Betonung der Unabhängigkeit der Advokatur gewährleistet. Gleichzeitig leistet jeder Rechtsanwalt auch einen Beitrag zu einem funktionierenden Justizsystem. Dies wird durch seine Bindung an Recht und Gesetz gewährleistet.

Der Anwalt darf nicht nur nicht lügen, er darf seinen Mandanten auch nicht dazu auffordern, bewusst die Unwahrheit zu sagen. Das kann insbesondere den Strafverteidiger vor schwierige Situationen stellen. In Fällen, in denen es auf die Vorstellung des Angeklagten bei der Tat über das Urteil ankommt, können Beratungs- und Wahrheitspflicht miteinander kollidieren. Lassen z.B. die Umstände der Tatbegehung keinen Rückschluss auf den Vorsatz des Angeklagten zu, wird ein engagierter Strafverteidiger versuchen, auf eine überzeugende Einlassung seines Mandanten hinzuwirken. Es ist eine der zentralen Aufgaben des Verteidigers, dem Mandanten beizustehen und ihm auch hinsichtlich der Einlassung vor Gericht zu beraten. Dazu gehört die umfassende Darstellung der Rechtslage genauso wie die Erörterung der Konsequenzen bestimmter Einlassungen. Mit anderen Worten hat der Verteidiger dem Mandanten auch Antworten zu geben auf Fragen, die sich jeder Beschuldigte stellt:

  • Wird das Gericht mir glauben?
  • Steht meine Einlassung im Einklang mit dem Inhalt der Gerichtsakten?
  • Was werden die Zeugen sagen?
  • Wie werden sich die Mitangeklagten verhalten?

Die Grenze zwischen bewusster Lüge und wohlwollender Auslegung eines Sachverhalts ist bei der Vorbereitung einer Einlassung zur Sache schwer zu bestimmen. Überspannt der Verteidiger den Bogen, droht ihm selbst ein Strafverfahren wegen Strafvereitelung. Die Wahrheitspflicht des Anwalts ist nicht nur ein standes- oder berufsrechtliches Gebot, ein Verstoß dagegen kann ernste strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Kein Konflikt mit der Wahrheitspflicht ergibt sich übrigens, wenn der Verteidiger wider besseren Wissens versucht, einen Freispruch für seinen Mandanten zu erreichen. Gesteht der Angeklagte die Tat gegenüber seinem Anwalt, ist dieser nicht verpflichtet, seine Verteidigungsstrategie auf eine Verurteilung hin auszurichten. Denn der Anwalt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet und kann nicht zum Zeugen gegen seinen Mandanten gemacht werden.

Man kann die Wahrheitspflicht des Anwalts auf eine kurze Formel bringen: „Alles was der Verteidiger sagt, muss wahr sein, er muss – und darf – aber nicht alles sagen, was wahr ist.“

Würde ein guter Strafverteidiger für mich lügen?

Nein.

Es kommt zwar immer wieder vor, dass Mandanten ihren Anwalt bedrängen, illegale Dinge zu tun. Dazu gehören das Schmuggeln von Briefen, von Drogen oder gar Waffen – oder eben das Überschreiten der Wahrheitspflicht.

Nur schwache Anwälte lassen sich auf so etwas ein. Sie sind nicht nur erpressbar. Ihnen wird, wenn sie angreifbar sind, auch der notwendige Biss fehlen, einem Staatsanwalt oder Richter selbstbewusst auf Augenhöhe gegenüber zu treten. Ein Anwalt, der sich selbst strafbar macht, ist kein starker Fürsprecher mehr für seinen Mandanten.

Rechtsanwalt Lüge

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