Strafhaft und Untersuchungshaft

Simplicissimus (1904)
„Daß Sie den Redaktär dreiviertel Jahr in Untersuchungshaft behalten, haben? Die Freisprechung war doch eigendlich vorauszusäh’n?“ – „Ämdesweg’n, ämdesweg’n, Herr Colleje, jetz‘ had der Lumich zuwenigstens seine Schtrafe weg!“

Quelle: DER SPIEGEL vom 18.03.1964

Auf den ersten Blick lässt sich die Unterbringung in der Untersuchungshaft kaum von der Strafhaft unterscheiden. In beiden Fällen verbringt der Betroffene 24 Stunden am Tag hinter Gittern, abgeschottet von der Außenwelt und ohne die Möglichkeit, sich frei bewegen zu können. Die Angehörigen der Häftlinge haben die Möglichkeit, Briefe zu schreiben und die wenige Besuchszeit zur Kontaktpflege zu nutzen.

Gleichwohl verfolgen Strafhaft und Untersuchungshaft unterschiedliche Zwecke. Im Detail gibt es erhebliche Unterschiede.

Strafhaft

In Strafhaft befindet sich, wer rechtskräftig wegen der Begehung einer Straftat durch ein Gericht verurteilt worden ist. Die Verbüßung der Freiheitsstrafe dient der Vollstreckung des Strafurteils und soll der Resozialisierung des Täters dienen. Die Strafhaft wird in Justizvollzugsanstalten vollstreckt.

Es gibt eigene Abteilungen oder Anstalten für Frauen, für Gewalttäter, für den offenen Vollzug sowie zum Teil auch für ältere Gefangene. Die Dauer der Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt ist begrenzt auf die im Urteil erkannte Freiheitsstrafe. Einige Verurteilte, insbesondere solche Personen, die sich erstmalig in Haft befinden (so genannte Erstverbüßer), können die Anstalt nach richterlichem Beschluss schon nach 2/3 der zu verbüßenden Freiheitsstrafe auf Bewährung verlassen.

Untersuchungshaft (U-Haft)

Wer sich in Untersuchungshaft (abgekürzt U-Haft) befindet, wurde noch nicht verurteilt.

Untersuchungshaft wird während des Ermittlungsverfahrens angeordnet, wenn der Betroffene der Begehung einer Straftat dringend verdächtig ist und zudem ein Haftgrund vorliegt. Als Haftgrund kommen in Betracht Flucht, Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr sowie die Schwere der Tat. Die Untersuchungshaft dient der Sicherung der Durchführung des Strafprozesses und der späteren Strafvollstreckung. Die Untersuchungshaft wird in eignen Untersuchungshaftanstalten oder in getrennten Abteilungen von Justizvollzugsanstalten vollstreckt.

Die Untersuchungshaft soll keine vorweggenommene Strafe darstellen. Es gilt die Unschuldsvermutung. Das Ermittlungsverfahren ist zu beschleunigen. Nach spätestens sechs Monaten überprüft das Oberlandesgericht, ob die Untersuchungshaft rechtmäßig angeordnet wurde und ob deren Dauer noch zu rechtfertigen ist.

Leben im Vollzug

Bei der Aufnahme in die Strafhaft wird eine umfassende ärztliche Untersuchung des Häftlings vorgenommen und die Persönlichkeit und Lebensverhältnisse des Gefangenen erforscht. Die Behandlung im Vollzug wird mit dem Gefangenen abgestimmt und im Vollzugsplan festgehalten.

Die Aufnahmeuntersuchung in der Untersuchungshaft ist hingegen auf eine ärztliche Untersuchung beschränkt. Die Untersuchungshaft ist nicht auf Dauer und nicht darauf angelegt, den Gefangenen zu resozialisieren, weswegen es nicht der Erstellung eines Vollzugsplans bedarf.

Das Leben im Vollzug ist in manchen Bereichen ähnlich ausgestaltet: Gesundheitsfürsorge und Religionsausübung muss allen Gefangenen ermöglicht werden genauso wie der Verkehr mit den Angehörigen.

Urlaub aus der U-Haft ist bei Untersuchungshäftlingen nicht möglich. Der Untersuchungshäftling trägt grundsätzlich eigene Kleidung und kann eigene Bettwäsche benutzen; der Strafgefangene hat hingegen in den meisten Bundesländern Anstaltskleidung zu tragen.

Zur Beschäftigung ist allen Gefangenen der Empfang von Radio und Fernsehen erlaubt. Wochentags besteht bei den Strafgefangenen in der Regel Arbeitspflicht, wenn dies den Fähigkeiten und dem körperlichen Zustand des Gefangenen nicht zuwiderläuft. Auch junge Gefangene in Untersuchungshaft können bis zum Alter von 21 Jahren aus erzieherischen Gründen zur Arbeit in der Vollzugsanstalt herangezogen werden. Sonstige Untersuchungsgefangene sind hingegen nicht zur Arbeit verpflichtet, können jedoch freiwillig auf Antrag eine Arbeit in der Justizvollzugsanstalt aufnehmen.

Verteidigerpost

In der Untersuchungshaft können besondere Beschränkungen des Postverkehrs vorgenommen werden. Der Schriftverkehr wird durch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft überwacht, Besuche sind nur nach schriftlicher Zustimmung des Richters oder der Staatsanwaltschaft erlaubt.

Lediglich mit dem Rechtsanwalt als Strafverteidiger darf über die sogenannte Verteidigerpost ohne Überwachung korrespondiert werden. Die Verteidigerpost darf jedoch nicht dazu verwendet werden, Brief an andere Personen (Angehörige, Mitbeschuldigte usw.) zu „schmuggeln“.

Entlassung aus der Haft

Der Zeitpunkt für die Entlassung aus der Strafhaft ist in den meisten Fällen schon von Anfang an im Vollzugsplan festgelegt. Änderungen können sich ergeben, wenn weitere Strafen im Anschluss vollstreckt werden oder wenn der Gefangene vorzeitig entlassen werden kann. In den Strafvollzugsgesetzen der Länder sind einige Vollzugslockerungen vorgesehen, die der Entlassungsvorbereitung dienen. Um die Wiedereingliederung nach der Entlassung zu fördern, kann Sonderurlaub aus der Haft gewährt werden, damit der Gefangene Gelegenheit hat, sich um Unterkunft und Arbeit zu kümmern. Bei geeigneten Gefangenen kommt auch vorab eine Verlegung in den offenen Vollzug in Betracht.

Die Entlassung aus der U-Haft ist oft nicht vorhersehbar. Der Haftbefehl kann jederzeit aufgehoben oder außer Vollzug gesetzt werden, wenn der dringende Tatverdacht oder ein Haftgrund entfällt; der Betroffene muss in diesem Fall unverzüglich entlassen werden. In einigen Fällen wir der Betroffene auch direkt von der Untersuchungshaft in die Strafhaft verlegt, wenn in einem rechtskräftigen Urteil die Verbüßung einer Freiheitsstrafe angeordnet wurde.

Weitere Themen zur Verhaftung und Festnahme:

1) Ein Angehöriger wurde festgenommen. Was kann ich tun?

2) Wie verhalte ich mich bei einer Festnahme?

3) Entschädigung bei rechtswidrig erlittener Untersuchungshaft (externer Artikel von Rechtsanwalt Christian Krauße, LL.M. Eur.)

Untersuchungshaft

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