Korruption im Gesundheitswesen – Keine Strafbarkeit der Ärzte

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Keine Strafbarkeit von Kassenärzten wegen Korruption

Macht sich ein niedergelassener Kassenarzt strafbar, der  von einem Pharmahersteller Geld oder andere Vorteile  als Gegenleistung für die Verordnung von Medikamenten erhält? Macht sich korrespondierend hierzu der Mitarbeiter des jeweiligen Pharmaunternehmens strafbar, der diese Vorteile gewährt?

Über die kontrovers diskutierte Grundsatzfrage, ob die Annahme von Geschenken durch Kassenärzte und Mitarbeiter von Pharmaunternehmen strafbar ist, hatte der Große Senat für Strafsachen zu entscheiden.

In seinem am 22. Juni 2012 veröffentlichten Beschluss vom 29. März 2012 (Az. GSSt 2/11) verneinte der Bundesgerichtshof diese Frage.

In dem zugrunde liegenden Fall ging es um eine Pharmareferentin, die Kassenärzten Schecks über insgesamt 18.000 € als Prämie für die Verordnung von Arzneimitteln ihres Unternehmens ausstellte. Der BGH entschied, dass weder die Pharmareferentin, noch die betreffenden Ärzte durch dieses Vorgehen einen Straftatbestand verwirklicht haben.

Der Große Senat kommt zu dem Ergebnis, dass niedergelassene Vertragsärzte keine Amtsträger sind. Sie sind auch keine Beauftragte der Krankenkassen,  wenn sie ihren Patienten Medikamente verschreiben. Damit scheidet eine Strafbarkeit der Ärzte sowohl  wegen Bestechlichkeit  (§ 332 StGB) als auch wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 I StGB) aus. Entsprechend sind auf der aktiven Seite auch Mitarbeiter von Pharmaunternehmen, die Ärzten Vorteile zuwenden, nicht wegen Bestechung (§ 334 StGB) oder Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 StGB) strafbar.

Kassenärzte keine Amtsträger

Zwar zählen die gesetzlichen Krankenkassen zu den in dieser Vorschrift genannten Einrichtungen. Sie  sind sonstige Stellen der öffentlichen Verwaltung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB.

Der BGH stellt in seinem Beschluss jedoch fest, dass der freiberuflich tätige Kassenarzt weder Angestellter noch Funktionsträger einer öffentlichen Behörde ist. Ein Arzt ist damit nicht dazu bestellt, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung  wahrzunehmen.

Für die Beurteilung ob eine Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfolgt, ist entscheidend, ob der Tätigkeit der betreffenden Person im Verhältnis zum Bürger der Charakter eines hoheitlichen Eingriffs zukommt. Dies ist  nach Ansicht der Richter hier nicht der Fall.

Der Schwerpunkt wird also nicht auf das Verhältnis Allgemeinheit-Arzt gelegt. Vielmehr betonen die Richter die Wichtigkeit des individuellen Verhältnisses zwischen Vertragsarzt und Patient. Hierbei steht das  persönliche Vertrauen der Beteiligten im Vordergrund.

Die Tatsache, dass Ärzte auch öffentliche Aufgaben zu erfüllen haben, tritt dahinter zurück.

Der Arzt wird durch seine Patienten ausgewählt. Im Arzt-Patienten-Verhältnis steht die persönliche Beziehung im Vordergrund. Die öffentliche Daseinsvorsorge (Bsp. Müllabfuhr, Friedhöfe, Gesundheitsämter usw.) hat demgegenüber einen ganz anderen Charakter. Versicherte empfinden ihren Arzt auch im Zweifel als Vertrauensperson – und nicht als Hoheitsträger.

Kein Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen i.S.v. § 299 StGB

Der BGH stellte in seinem Beschluss auch klar, dass der Kassenarzt kein Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen i.S.v. § 299 StGB ist.

Gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB V wirken die Kassenärzte mit den gesetzlichen Krankenkassen zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung zusammen. Der Bundesgerichtshof sieht hierin eine grundsätzliche gesetzgeberische Gleichordnung. Es besteht also insbesondere kein Über-Unter-Ordnungsverhältnis. Der Begriff des „Beauftragten“ setzt demgegenüber gerade ein solches Stufenverhältnis voraus.

Es kommt hinzu, dass die Krankenkasse den vom Versicherten frei gewählten Arzt akzeptieren muss. Es gibt kein Weisungsrecht der Kasse gegenüber den Patienten bei der Arztwahl.

Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswegen ist Hausaufgabe des Parlaments

Der BGH hatte in vorliegender Angelegenheit lediglich darüber zu entscheiden, ob durch das Annehmen von Vorteilen durch den Arzt bzw. durch das Anbieten solcher  Vorteile durch Pharmaunternehmen ein Straftatbestand verwirklicht wird.

Es wird von den Richtern in Karlsruhe durchaus angedeutet, dass Korruption im Gesundheitswesen möglicherweise gleichwohl strafwürdig ist. Nur ist es eben Aufgabe des Gesetzgebers – und nicht der Gerichte – entsprechende Straftatbestände zu schaffen. Zumindest nach dem geltenden Recht sahen sich die Richter an einer Verurteilung gehindert.

Kein Freibrief für Ärzte

Kassenärzte und Pharmavertreter müssen nach dem Beschluss des BGH  zwar aktuell nicht mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen. Anders als zuweilen in der Presse dargestellt, dürfen selbstständige Ärzte jetzt aber nicht auf einmal unbedacht Geschenke annehmen und Provisionen kassieren.

Sie unterliegen weiter dem ärztlichen Berufsrecht. Dieses enthält Regeln für die Zusammenarbeit mit Dritten, wie beispielsweise Pharmaunternehmen. So sieht die Berufsordnung für Ärzte vor, dass es Ärzten nicht gestattet ist, Geschenke oder andere Vorteile für sich zu fordern oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung werde beeinflusst. Die Annahme von geldwerten Vorteilen in angemessener Höhe ist nur dann erlaubt, wenn diese ausschließlich für berufsbedingte Fortbildungsveranstaltungen verwendet werden.

Verstößt ein Arzt gegen die Berufsordnung, drohen berufsrechtliche Konsequenzen.