Was bedeutet Vorsatz im Strafrecht?

Alltags-Sprache und Juristen-Deutsch haben, wenn es um den Begriff „Vorsatz“ geht, wenig gemeinsam.

Seinem Wortlaut nach kennt das deutsche Strafgesetzbuch nur vorsätzliches und fahrlässiges Handeln. Dazu heißt es in § 15 StGB:

            „Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.“

Von bedingtem Vorsatz ist dort nicht die Rede. Gleichwohl kennt das deutsche Strafrecht im Wesentlichen drei unterschiedliche Erscheinungsarten des Vorsatzes: den direkten Vorsatz ersten und zweiten Grades sowie den bedingten Vorsatz. Der direkte Vorsatz lässt sich schlagwortartig als sicheres Wissen der Tatbegehung verstehen. Von bedingtem Vorsatz ist die Rede, wenn ein Täter einen bestimmten Taterfolg zwar nicht wünscht und auch nicht sicher voraussieht, ihn jedoch als mögliche Folge seines Verhaltens „billigend in Kauf“ nimmt.

Bedingter Vorsatz

Während über die Details des bedingten Vorsatzes in der juristischen Lehre immer noch gestritten wird, besteht der kleinste gemeinsame Nenner jedenfalls darin, dass der Täter den Erfolgseintritt als möglich, als nicht ganz fernliegend erkennt. So sieht es derzeit auch der Bundesgerichtshof. Es muss also mit anderen Worten dem Täter gar nicht darauf ankommen, dass der gewünschte Taterfolg eintritt, es genügt bereits, wenn er erkennt, dass es dazu kommen könnte und er trotzdem weiterhandelt.

Der bedingte Vorsatz, oder auch Eventualvorsatz, füllt in gewisser Hinsicht eine Lücke zwischen direktem vorsätzlichem Handeln und der Fahrlässigkeit. Darüber hinaus erleichtert diese Art des Vorsatzes regelmäßig auch eine Verurteilung. Um sich wegen einer vorsätzlichen Handlung strafbar zu machen, genügt regelmäßig bereits der bedingte Vorsatz. Das gilt nicht, wenn das Gesetz etwas anderes verlangt. Das ist beispielsweise beim Diebstahl der Fall: der Täter muss in der Absicht handeln, sich eine fremde Sache anzueignen. Ein billigendes Inkaufnehmen der Zueignung einer fremden Sache, was schon begrifflich schwer vorstellbar ist, genügt nicht, um eines Diebstahls schuldig zu sein. Dem Dieb muss nachgewiesen werden, dass die Wegnahme gerade in der Absicht erfolgte, die Sache für sich zu behalten.

In der Praxis stellen sich Probleme des Eventualvorsatzes besonders häufig in Steuerstrafverfahren. Wer beispielsweise eine unzulässige steuerliche Gestaltung vornimmt und sich keine Gedanken darüber macht, ob Steuer anfällt oder nicht, kann sich dennoch wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung strafbar machen.

Die Betroffenen selbst würden in den meisten Fällen nicht im Traum daran denken, sich selbst als „vorsätzliche Steuerhinterzieher“ zu bezeichnen.

Vorsatz im Kopf des Richters?

Angesichts der Schwierigkeiten beim Nachweis von Vorsatz ist es oft Zufall, ob ein Richter bei einem Angeklagten von Vorsatz ausgeht oder nicht. Böse Zungen behaupten, Vorsatz findet nicht im Kopf des Angeklagten statt, sondern im Kopf des Richters.

Richtig ist jedenfalls, dass eine Verteidigungs-Strategie, die sich alleine darauf stützt, zu sagen „Ich hab es nicht gewusst“ oder „Damit habe ich nicht gerechnet“, meistens schwach ist. Größer sind die Chancen für eine erfolgreiche Verteidigung, wenn sich herausarbeiten lässt, dass schon der objektive Tatbestand einer Straftat nicht erfüllt oder zumindest nicht nachweisbar ist.

Ein wissenschaftlicher Artikel von RA Dr. Tobias Rudolph zur Vorsatz-Dogmatik im Strafrecht erschien im Jahrbuch für Recht und Ethik, Themenschwerpunkt: Strafrecht und Rechtsphilosophie – Zugleich Gedächtnisschrift für Prof. Dr. Joachim Hruschka von der Universität Erlangen-Nürnberg, Band 27, 2019, S. 649 ff. , unter dem Titel „Wenn Täter und Richter dasselbe wissen, aber unterschiedlicher Meinung sind. Weshalb Irrtümer über Wertungen den Vorsatz nicht berühren

Vorsatz im Strafrecht

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