Vermögensabschöpfung im Strafrecht

Grundgedanken der Einziehung von Vermögenswerten

Sowohl im deutschen Strafrecht als auch im europäischen Ausland gilt hinsichtlich der Folgen einer Verurteilung der Grundsatz.

Ein Straftäter soll keine wirtschaftlichen Vorteile aus der Straftat ziehen („crime must not pay“).

Die Grundgedanken hinter dem Recht der Vermögensabschöpfung lassen sich anhand eines Beispiels aus dem Betäubungsmittelstrafrecht veranschaulichen:

Wenn bei einem Drogendealer bei der Festnahme und Durchsuchung seiner Wohnung ein Kilogramm Haschisch gefunden wird, werden diese Drogen von der Polizei beschlagnahmt.

Wenn stattdessen in der Wohnung 10.000 Euro gefunden, die aus einem kurz zuvor abgeschlossenen Verkauf von Drogen stammen, wird das Geld ebenfalls beschlagnahmt.

Aber was passiert, wenn der Drogenhändler für den Erwerb der Drogen 9.000 Euro aufgewendet hat? Anders als im Steuerrecht werden bei der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung derartige „Betriebsausgaben“ nicht gewinnmindernd berücksichtigt. Mit anderen Worten: Der Staat kassiert den vollen Betrag von 10.000 Euro ein. Aus 1.000 Euro Gewinn werden dadurch faktisch 9.000 Euro Verlust. Dies nennt man das sogenannte Bruttoprinzip.

Die Beispiele aus dem Bereich der Betäubungsmittelkriminalität sind einfach nachvollziehbar. Kompliziert wird es jedoch, wenn es um Delikte aus dem Wirtschaftsstrafrecht geht, also beispielsweise Korruption, Steuerhinterziehung oder Insolvenzverschleppung. Hier stellen sich nicht nur komplizierte Rechtsfragen, sondern es drohen wirtschaftliche Folgen mit existenzieller Bedrohung. Insbesondere die Anwendung des Bruttoprinzips trifft die Beteiligten als Nebenfolge einer Verurteilung oft viel härter als die strafrechtliche Sanktion selbst.

Reform des Gesetzes im Jahr 2017

Das deutsche Recht der Vermögensabschöpfung gilt für das gesamte Strafrecht, d.h. auch für das Recht der Ordnungswidrigkeiten sowie für Jugendstrafverfahren.

Die bis zum Juni des Jahres 2017 geltenden Vorschriften zu „Verfall und Einziehung“ (§§ 73 bis 76a StGB a.F.), die die Vermögensabschöpfung abschließend regelten, wurden durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung zum 01.07.2017 grundlegend reformiert. Diese Reform sollte das Recht der Vermögensabschöpfung vereinfachen, die vorläufige Sicherstellung von Vermögenswerten erleichtern und die nachträgliche Abschöpfung von Vermögensgegenständen ermöglichen.

Hintergrund für die Reform des Rechts der Vermögensabschöpfung waren europarechtliche Vorgaben. Der deutsche Gesetzgeber ist mit der nun geltenden Fassung des Gesetzes jedoch teilweise deutlich über das Ziel hinausgeschossen.

Alte Rechtslage: Einziehung und Verfall

Nach alter Rechtslage wurde zwischen „Verfall“ und „Einziehung“ unterschieden.

Der Verfall a.F. bezog sich – vereinfacht ausgedrückt – auf das „durch die Tat Erlangte“. Dieses sollte nicht beim Täter verbleiben, sondern dem Staat zugeführt werden. Der Verfall stellte keine Nebenstrafe, sondern eine Maßnahme zur Vermögensabschöpfung illegal erlangter Vermögenswerte dar, die auch unabhängig der Schuld des Täters verhängt werden konnte. Da der Verfall aber – zumindest nach dem Gesetzeswortlaut („etwas erlangt“) – dem sog. Bruttoprinzip folgte, d.h. nicht auf den Gewinn, sondern das Erlangte abstellte, wirkte er faktisch wie ein über die bloße Rückabschöpfung hinausgehendes Übel mit Sanktionswirkung.

Voraussetzung des Verfalls war das Vorliegen einer rechtswidrigen Tat. Als „erlangtes Etwas“ wurden eine Vielzahl von Vermögenswerten gefasst, u.a. bewegliche Gegenstände, Grundstücke, dingliche Rechte, verfestigte Expektanzen, Steuervorteile etc. Diese Werte mussten unmittelbar „aus der Tat“ stammen, d.h. dem Täter aus der Tatbestandsverwirklichung zufließen. Nicht umfasst waren Gewinne „für die Tat“, z.B. Entlohnungen für die Tatbeteiligung. Durch den sogenannten „erweiterten Verfall“ (§ 73d StGB a.F.) wurden nach alter Rechtslage auch solche Vermögenswerte erfasst, die aus Anknüpfungstaten stammten, d.h. nicht das „etwas erlangte“ des § 73 StGB a.F. darstellten, sondern auf andere Weise durch eine frühere Tat illegal in den Besitz des Täters gelangt waren.

Für Fälle, in denen der konkret erlangte Gegenstand nicht mehr abgeschöpft werden konnte, war der Täter zum Ersatz des Geldwerts verpflichtet (§ 73a StGB). Waren die exakten Werte für die Abschöpfung gem. §§ 73 und 73a StGB a.F. nicht ermittelbar, durfte geschätzt werden (§ 73b StGB a.F.).

Ausnahmsweise entging der Täter der Vermögensabschöpfung, wenn er dadurch „unbilliger Härte“ ausgesetzt war (§ 73c StGB a.F.). Nach § 73 Abs. 1 S. 2 StGB a.F. wurde der Verfall zum Schutz des Geschädigten nicht angeordnet, „soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde.“ Dadurch wurde eine Form der zivilrechtlichen Rückgewinnungshilfe im Strafrecht installiert.

Rechtsfolge des Verfalls war der Eigentumsübergang des Verfallsgegenstandes auf den Staat (§ 73e StGB a.F.).

Die vom Verfall zu trennende Einziehung (§§ 74 bis 75 StGB a.F.) bezog sich nicht auf das durch die Tat Erlangte, sondern auf die Sicherstellung des „durch die Tat Erzeugten“ (sog. producta sceleris, z.B. Falschgeld, falsche Urkunden etc.) oder des „für die Tat Verwendeten“ (sog. instrumenta sceleris, z.B. die verwendete Tatwaffe, der für die Betäubungsmittel genutzte Transportbehälter etc.). Auch bei der Sicherstellung ging das Eigentum an den eingezogenen Gegenständen auf den Staat über (§ 74e StGB a.F.).

Neue Rechtslage: Einziehung von Taterträgen

Die alte Rechtslage wurde als umständlich und kompliziert empfunden. Die Reform der §§ 73 ff. StGB, die seit Juli 2017 in Kraft trat, bringt jedoch keinesfalls nur Vereinfachungen mit sich – und schon gar keine Entlastungen für die Verurteilten.

Zunächst geht es um begriffliche Kosmetik. Der Begriff „Verfall“ wurde umfassend durch den Begriff „Einziehung“ ersetzt. Zunächst entfällt dadurch die oben dargestellte Unterscheidung zwischen „Einziehung bzw. Verfall“. Darüber hinaus soll bei grenzüberschreitenden Vermögensabschöpfungen die Zusammenarbeit mit Staaten, die den Unterschied zwischen „Verfall“ und „Einziehung“ nicht kennen, erleichtern soll.

Der Verfall wird künftig einheitlich als „Einziehung von Taterträgen“ bezeichnet. Der früher die Voraussetzungen der Einziehung regelnde § 74 StGB a.F. heißt nun „Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten“. Neu ist zudem der Begriff „Vermögensarrest“, der den vormaligen „dinglichen Arrest“ ersetzt. Überdies stehen die Sicherungsinstrumente des Vermögensarrests nach der StPO und des steuerlichen Arrests gemäß § 324 AO gleichrangig nebeneinander. Das soll Unsicherheiten bei der vorläufigen Sicherung von Vermögenswerten in Steuerstrafverfahren vermeiden.

Das Konzept der „Rückgewinnungshilfe“ wird aufgegeben. Das ist zumindest deshalb stimmig, da das Strafrecht primär nicht der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche dient. Damit werden wirtschaftlich Geschädigte im Vergleich zu anderen Geschädigten nicht mehr länger privilegiert. Folge ist, dass Einziehung und Sicherung von Vermögenswerten in Form von Beschlagnahme und Vermögensarrest fortan auch bei Vermögensdelikten verhängt werden kann.

Das bislang nicht einheitlich angewandte Bruttoprinzip wurde bestätigt und erweitert. Getätigte Aufwendungen sollen jedoch abzugsfähig sein, es sei denn, sie sind gerade für die Begehung der rechtswidrigen Tat aufgewendet worden.

Das Institut der erweiterten Einziehung ist nunmehr aufgrund jedweder Straftat möglich (§ 73a StGB n.F.), auf eine Verweisung kommt es nicht mehr an.

Eine völlig neue Stoßrichtung implementiert § 76a Abs. 4 StGB n.F. Die Regelung ermöglicht die selbstständige Einziehung von Vermögensgegenständen auch ohne Nachweis oder Verfolgbarkeit einer rechtswidrigen Tat, sofern das Gericht von ihrer illegalen Herkunft überzeugt ist. Durch den neu eingefügten § 437 StPO wird zudem festgelegt, dass das Gericht die erforderliche Überzeugung von der illegalen Herkunft des Gegenstandes „insbesondere auf ein grobes Missverhältnis zwischen dem Wert des Gegenstandes und den rechtmäßigen Einkünften des Betroffenen stützen“ kann. In Hinblick auf den Grundsatz freier tatrichterlicher Beweiswürdigung nach § 261 StPO erscheint eine solche „Beweisregel“ äußerst befremdlich. Fraglich ist auch, ob eine solche „Vermutung der Illegalität der Vermögensherkunft“ mit der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK vereinbart werden kann.

Fazit

Vermögensabschöpfung ist, trotz aller gegenteiligen Beteuerung, eine Form staatlicher Übelszufügung durch Enteignung. Da die noch reform-frischen Vorschriften erst in der Praxis ankommen müssen, bleibt abzuwarten, wie sich das Recht der Vermögensabschöpfung durch die umfassende Umgestaltung in Zukunft entwickeln wird. Äußerst problematisch an der Neuregelung sind aber – schon auf rein dogmatischer Ebene – vor allem die Privilegierung des Staats als Einziehungsgläubiger im Insolvenz- und Steuerstrafverfahren sowie die neu geschaffene selbstständige Vermögensabschöpfung ohne erforderlichen Nachweis der genauen rechtswidrigen Tat.

Mehr noch als zuvor wird es für Strafverteidiger in allen Bereichen des Rechts wichtig, langfristige Strategien zu entwickeln und die möglichen Nebenfolgen einer Verurteilung im Auge zu behalten.

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