Die Kronzeugenregelung des § 31 BtMG (Aufklärungshilfe)

Die sog. Kronzeugenregelung ist ein wichtiges Instrument der Verteidigung bei Drogendelikten im Betäubungsmittelstrafrecht.

Ein Beschuldigter, der sich zu einer „31er-Aussage“ entschließt, sollte sich dies jedoch vorher sehr gut überlegen. Keinesfalls sollte er dem Druck der Polizeibeamten nachgeben, eine solche Aussage direkt nach der Festnahme zu machen!

Während schon bei „gewöhnlichen“ Delikten das Bestreben der Ermittlungspersonen darauf ausgerichtet ist, möglich viel Selbstbelastung des Vernommenen durch Umgehung seines Schweigerechts sowie die weitgehende Fernhaltung eines Rechtsbeistandes zu erwirken, wird diese Tendenz im Betäubungsmittelstrafrecht noch verstärkt. Ein beliebtes „Lockmittel“ stellt dabei der § 31 BtMG dar, der eine Strafmilderung für den Beschuldigten offeriert, wenn dieser sogenannte Aufklärungshilfe leistet.

Polizeibeamte nutzen die Schock-Situation unmittelbar nach der Festnahme eines Drogendelinquenten gezielt aus. Schon bei der ersten Befragung wird meist das „Du“ angeboten, um Vertrauen aufzubauen. Dann werden gerne „Horrorgeschichten“ darüber erzählt, mit welchen Strafen zu rechnen ist (die manchmal sogar zutreffen…). Das „Windhundrennen“ (wer zuerst aussagt, gewinnt…) kann den Geständnisdruck enorm erhöhen. Einmal ausgesprochen, kann eine entsprechende Einlassung – mit der sich schließlich auch selbst belastet werden muss – später nicht wieder entschärft werden (vgl. Psychologie im Strafprozess).

Polizeibeamte haben viele Tricks, die Schwäche des Beschuldigten, der gerade erst festgenommen ist, gezielt auszunutzen. Ein übermüdeter Beschuldigter wird mit Kaffee und Zigaretten munter gehalten. Wirkt der Verdächtige unsicher, bilden die Beamten gerne Teams nach dem Motte „good cop /„bad cop“. Einer der beiden spielt den Bösewicht, der poltert und droht. Der andere der beiden stellt sich als Freund und Fürsprecher des Beschuldigten dar, der verspricht, „beim Staatsanwalt ein gutes Wort einzulegen“, wenn der Beschuldigte sofort auspackt. Solche Zugeständnisse sind völlig wertlos!

Die Wahrheit ist: Polizeibeamte haben keinen Einfluss auf die Höhe der Strafe. Darüber entscheidet alleine das unabhängige Gericht.

Versprechen durch die Polizei über Strafrabatte in einem frühen Stadium der Ermittlungen sind daher im besten Fall vollkommen irrelevant, in der Regel aber sogar falsch. Man könnte sagen, sie sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen – was allerdings insoweit unzutreffend ist, als die Polizeibeamten sehr genau wissen, weshalb sie ihre Versprechungen üblicherweise gerade nicht protokollieren.

Die Wahrheit ist aber auch: Drogendelikte werden sehr hart bestraft – insbesondere in Nordbayern.

Die Strafen, die beispielsweise in den Gerichtsbezirken Nürnberg, Weiden oder Hof für Drogenkuriere oder Händler ausgesprochen werden, sind häufig sehr viel höher, als etwa in Bremen oder Frankfurt. Insbesondere ausländische Kuriere, die beispielsweise Drogen von Holland nach Österreich verfrachten und auf der Autobahn angehalten werden, können es oft nicht fassen, wenn sie erfahren, dass sie mit mehreren Jahren Gefängnis zu rechnen haben.

Hat ein Beschuldigter durch seine Aussage bzw. sein Geständnis beispielsweise die Festnahme von Hintermännern ermöglicht, kann das Gericht die zu verhängende Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB mildern oder manchmal sogar ganz von Strafe absehen.

„Freiwillige Offenbarung“ bedeutet dabei, dass der Täter aus eigenem Antrieb handelt. „Anregungen von außen“ sind unschädlich. An freiwilliger Offenbarung mangelt es hingegen regemäßig, wenn der Täter angesichts einer erdrückenden Beweislage ein Geständnis ablegt. „Wesentlich“ ist der Beitrag, wenn dadurch Mittäter oder Gehilfen in gerichtsverwertbarer Weise identifiziert werden können. Die Vorschrift findet keine Anwendung für Taten, an denen der Täter selbst nicht beteiligt gewesen ist.

Die Strafmilderungen des § 31 BtMG können erheblich sein. Manchmal lohnt es sich sogar, auch frühere Drogengeschäfte zu offenbaren, wenn diese Aussagen dazu geeignet sind, die „großen Fische“ im Hintergrund zu ermitteln. Wer einen solchen Schritt gehen will, sollte jedoch mit kühlem Kopf und erst nach professioneller Beratung darüber entscheiden. Dabei sind die konkreten Straferwartungen bzw. die erhofften Vorteile abzuwägen. Es sind aber auch ganz andere Folgen einer Aussage mit in den Blick zu nehmen, beispielsweise persönliche Beziehungen, finanzielle Nebenwirkungen (z.B. der Entzug der Fahrerlaubnis, s.o.), „Rückläufer“ (dazu gleich), prozessuale Konsequenzen.

Polizisten sind Jäger. Auch wenn ihre Menschlichkeit und Mitgefühl echt sein können, verfolgen sie doch das Ziel, den Beschuldigten hinter Gitter zu bringen.

Der Rat eines Polizeibeamten kann daher unter keinen Umständen den Rat eines Strafverteidigers ersetzen.

Wer eine umfassende Aussage nach § 31 BtMG macht, muss beispielsweise damit rechnen, sehr häufig als Zeuge vor Gericht vernommen zu werden – was von Mitgefangenen aufmerksam wahrgenommen wird.

Ein Kronzeuge muss auch damit rechnen, dass die Personen, die von ihm benannt werden, ihrerseits mit Aussagen versuchen, „zurück zu schießen“ – indem sie den Zeugen anderer Straftaten bezichtigen. Derartige „Rückläufer“ bzw. Boomerang-Aussagen sind manchmal wahr und manchmal falsch. In jedem Fall sollte man, bevor man sich zu einer Aussage entschließt, mit der man andere angreift, bewusst machen, welche offenen Flanken man selbst hat, die dazu führen können, dass die erhofften Wirkungen einer Aussage „nach hinten los gehen“.

Eine häufig übersehene böse Überraschung einer Kronzeugen-Aussage ist die Einziehung bzw. Abschöpfung von Taterträgen. Gemäß § 33 BtMG werden die Drogen, die beispielsweise in der Wohnung eines Händlers gefunden werden, beschlagnahmt, ohne dass der Besitzer hierfür einen Ersatz bekommt.

Die Vorschriften über die Vermögensabschöpfung (§§ 73 ff. StGB) wurden im Jahr 2017 deutlich verschärft. Danach können nicht nur die Drogen selbst, sondern auch das Geld, das man dafür erhalten hat, eingezogen werden (sog. Einziehung von Wertersatz). Dabei gilt das sogenannte Brutto-Prinzip. Das bedeutet: Es werden nicht nur die Drogen und das dafür erlangte Geld ersatzlos weggenommen. Es wird darüber hinaus auch nicht berücksichtigt, dass man selbst Geld aufgewendet hat, um an die Ware zu kommen.

Wenn also beispielsweise in der Wohnung eines Drogenhändlers 1 kg Haschisch und 5.000 Euro gefunden werden, die aus dem Verkauf von Drogen stammen, so werden sowohl die Drogen als auch das Geld vom Staat einkassiert.

Wer darüber hinaus bei der Polizei angibt, dass er in der Vergangenheit bereits für 50.000 Euro Drogen verkauft hat, muss damit rechnen, dass er am Ende auch diese 50.000 Euro an die Staatskasse zu bezahlen hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Dealer selbst für die Ware beispielsweise 49.000 Euro bei seinem Lieferanten bezahlt hat, d.h. wenn die Gewinnspanne nur sehr gering war.

Die finanziellen Folgen einer umfassenden Aussage sind daher unter Umständen ruinös. Auf diese möglichen Nebenwirkungen der Aufklärungshilfe weisen Polizeibeamte in der ersten Vernehmung kurz nach der Festnahme meist (bewusst) nicht hin

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